Gastronomie zu: Droht in Franken der Karpfen-Kahlschlag?

Tobi Lang

Online-Redakteur

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3.11.2020, 08:34 Uhr
Der fränkische Karpfen, gebacken oder blau, ist Tradition und Kulturgut. 

© Hans-Joachim Winckler Der fränkische Karpfen, gebacken oder blau, ist Tradition und Kulturgut. 

Walter Jakob ist ein Verfechter der Tradition. Fast sein ganzes Leben hat er sich den Fischen verschrieben. "Die Menschen kaufen gern frisch", sagt der Teichwirt, seinen Betrieb gibt es seit 26 Jahren, neben dem Sohn arbeiten zwei Festangestellte dort. Qualität und Kundennähe zählen, auch beim Karpfen, einem der Aushängeschilder der fränkischen Küche. Der morastige Fisch hat nur in Monaten, die ein "r" im Namen tragen, Saison. Das ist seit Hunderten Jahren so. Und das bleibt so. Auch während der Corona-Pandemie?

Das Frühjahr, also das Ende der letzten Saison, haben die Teichwirte noch relativ gut überstanden. "Die Leute haben den Karpfen 'über die Straße' gut angenommen", sagt Jakob, der auch Vorsitzender der Teichgenossenschaft Aischgrund ist. "To-Go", wie es neudeutsch heißt, also für den heimischen Verzehr. "Wir konnten die Leute dazu animieren, den Karpfen trotzdem zu kaufen. Das hat gut funktioniert."

"Die Situation ist angespannt"

Doch ob der Plan auch jetzt, im ersten womöglich quälend langen Corona-Winter aufgeht, ist unklar. Am Montag werden die Restaurants auch in Franken schließen müssen - Essen gibt es dann für mindestens drei Wochen nur noch zum Mitnehmen. Dass der Lockdown zum Beginn der Karpfensaison kommt, macht auch den Teichwirten in Franken Angst. "Die Situation ist angespannt", sagt Jakob. "Auch die Gastro weiß nicht, wohin die Reise geht."

Entscheidend wird sein, wie lange die Ausgangsbeschränkungen und die Restaurantschließungen andauern. Klar ist: Lagern lässt sich der Fisch schlecht - und die Weiher müssen spätestens beim ersten Frost abgefischt werden. "Hier im Aischgrund haben wir ausgeklügelte Systeme", erklärt Jakob. Ein Teich muss abgefischt und abgelassen werden, dann wird der nächste vollgepumpt. Wasserregime nennt der Experte das. "Es gibt Zeiten, da muss der Teich leer sein."

Direktvertrieb als Achillesferse

Der fränkische Karpfen ist sensibel, in den Teichen im Aischgrund jedenfalls kann er nicht überwintern. Allein aus Tierschutzgründen sei das nicht möglich, sagt Jakob. "In sogenannten Hälterungen geht das, aber nur für vier bis sechs Wochen. Dann müssen sie vermarktet werden." Viele solcher Becken, in denen man die Fische zwischenlagern kann, gibt es aber nicht.

Sollten die Restaurants geschlossen bleiben, rechnet auch Jakob damit, dass man die Karpfen nur schwer verkaufen kann. "Wir selbst verkaufen viel in die Bamberger Region", sagt der Teichwirt. "Dort merken wir einen absoluten Umsatzeinbruch." Die Touristen, die wegen des Traditionsgerichts kommen, fehlen - und auch die Stadtbevölkerung fährt nicht 40 Kilometer ins Umland, um sich einen "To-Go"-Karpfen abzuholen. Die Stärke der Aischgründer, sagt Jakob, ist der Direktvertrieb. "Das erweist sich jetzt als unsere Achillesferse."

Er fürchtet, der Fisch könnte über unorthodoxe Kanäle zu Dumpingpreisen verkauft werden. Irgendwo, Hauptsache weg. Doch was passiert im Worst-Case, wenn der Fisch wegen geschlossener Restaurants nicht verkauft werden kann? Auch Jakob ist überfragt. "Wir wissen es einfach nicht, was wir dann damit machen sollen."

Viele Teichwirte könnten hinschmeißen

Der Großteil der Karpfenzüchter im Aischgrund bewirtschaftet die Teiche nur im Nebenerwerb - es sind etwa 1200 Kleinstbetriebe, die um jeden Euro kämpfen. "Wirtschaftlich war die Teichwirtschaft für sie eh nicht so interessant", sagt Jakob, die Deckungsbeiträge seien niedrig gewesen, oft bleibe nur eine schwarze Null stehen. "Im Gespräch mit älteren Kollegen kommt schon zum Vorschein, dass die Pandemie der Tropfen ist, der das Fass zum Überlaufen bringt." Viele wollen hinschmeißen. "Wenn das die Auswirkung ist, dass sich die Kulturlandschaft derart verändert, dann wäre das schade."

Die Saison verschieben würde Walter Jakob, der Verfechter der Traditionen, nur ungern - aber eine Idee sei das sicherlich. Auch wenn es dann, wenn die Temperaturen steigen, schwieriger wird, den Karpfen zu halten. "Es gibt Überlegungen, zum Beispiel Karpfenfilet als Streifen oder Chips auf den Bierkellern anzubieten." Noch sei es zu früh für konkrete Prognosen. Für Jakob und die Teichwirte im Aischgrund aber ist klar: Es geht nicht nur um Karpfen. Es geht um ein Stück fränkisches Lebensgefühl.