Geothermie-Messtrupps schütteln Oberfranken durch

4.11.2018, 06:00 Uhr
Mit Messfahrzeugen wird der Untergrund analysiert. Die Ergebnisse sollen die Ursache der geothermischen Anomalie klären. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, erneuerbare Energie aus der Geothermie vor Ort zu nutzen.

© Heinz Wraneschitz Mit Messfahrzeugen wird der Untergrund analysiert. Die Ergebnisse sollen die Ursache der geothermischen Anomalie klären. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, erneuerbare Energie aus der Geothermie vor Ort zu nutzen.

Seit kurzem wird Franken aufgerüttelt. "Aber nur ein wenig - so als würde ein großer Lkw vor dem Haus vorbeifahren" erklärt Wolfgang Bauer das "Geowissenschaftliche Forschungsprojekt 2D-Seismik in Oberfranken". Hintergrund ist: In Teilen Nordbayerns nimmt die Temperatur in der Tiefe stärker zu als anderswo. "Mit dem Projekt hoffen wir, die Ursachen zu finden", sagt Bauer vom GeoZentrum der Uni Erlangen-Nürnberg (FAU).

Geothermie wird in Oberbayern seit Jahren zum Heizen genutzt

Was der Forscher damit meint: Möglicherweise gibt es im Dreieck zwischen Bamberg, Coburg und Schweinfurt genug unterirdisches Wärme-Potenzial, um etwa Gebäude zu heizen. In Oberbayern rund um Ober- oder Unterhaching wird die geothermische Energie seit etwa einem Jahrzehnt für Heizzwecke verwendet. Die Wärmequellen, heißes Wasser, fand man, als dort nach Öl gebohrt wurde. Die reichen Kommunen rund um München trauten sich damals, viel Geld in Geothermie-Versuche zu investieren. Und sie waren erfolgreich. Zum Beispiel in Unterhaching.

An den Fahrzeugen befinden sich Platten, die Schwingungen in den Untergrund senden.

An den Fahrzeugen befinden sich Platten, die Schwingungen in den Untergrund senden. © Heinz Wraneschitz

Vom "erhöhten Energiefluss unter Oberfranken" wisse man sogar schon länger, berichtet Wolfgang Bauer. Das geothermische Potenzial sei hier viel höher als im Süden Bayerns. So wurden bei Bohrungen nahe Mürsbach (Kreis Bamberg) in 1000 Metern Tiefe 48 Grad Celsius festgestellt; anderswo sind es gerade einmal 33 Grad Celsius. Dieses "anomalische Wärmepotenzial" ist zwar bereits seit den 1970er Jahren durch Bohrungen nach Gasvorkommen bekannt. Genutzt wird das heiße Tiefenwasser aber bislang nur in den drei Thermalbädern Rodach und Staffelstein in Oberfranken sowie Colberg in Thüringen. 50 bis 60 Grad beträgt dabei die Wassertemperatur. Es stammt aus 1400 Metern Tiefe.

Nun wird das Tiefen-Geothermie-Potenzial untersucht. Das Geothermie-Zentrum der FAU ist dabei im Rahmen eines Forschungsprojekts der Geothermie-Allianz Bayern unterwegs - einer Kooperation der Unis Erlangen-Nürnberg, Bayreuth und der Technischen Universität München. Das Geld dafür - das Projekt kostet 2,1 Millionen Euro - steuern Bayerns Ministerien für Wissenschaft sowie Umwelt bei.

Platten senden leichte Schwingungen in den Boden

40 Menschen sind in den nächsten Wochen in Oberfranken unterwegs, um "bis zu sechs Kilometer in den Untergrund hineinzuhorchen", wie es in der Info für die Bevölkerung heißt. Seit April 2018 werden die Bewohner der Landkreise informiert. Forscher treten in kommunalen Gremien auf und es gibt Gespräche mit den etwa 50.000 Grundstückseignern, die die Rüttelei erlauben müssen. Zudem wurden auf den vier geplanten Messstreifen die Belange des Umweltschutzes, gerade von geschützten Tieren, berücksichtigt.

Bis Ende November werden die Messtrupps unterwegs sein. Deren Chef heißt Daniel Günther. Der Geschäftsführer der Geophysik GGD aus Leipzig hat für die Kampagne fünf 25 Tonnen schwere Sonder-Lkw aus Italien sowie die dazugehörigen Auswertefahrzeuge gemietet. Auf vier "Profillinien" mit insgesamt 200 Kilometer Länge werde gemessen. 100 Meter Abstand haben die Vibrationspunkte. Die Rüttelei dauert zwei Minuten - pro Stunde werden zwei Kilometer der Messlinie befahren.

Mehr als hundert Jahre Energie für eine Kleinstadt

Die Frequenzen, die von den Rüttelplatten in den Boden geschickt werden, liegen im Band zwischen zehn und 100 Hertz. Der Schall der Wellen wird von sogenannten Geophonen aufgenommen, die in der Erdoberfläche stecken. So entstehe ein zweidimensionales Bild des Untergrundes, erklärt der Geophysiker Günther.

"Und im nächsten Jahr werden die Ergebnisse interpretiert", ergänzt Forschungsleiter Bauer. Der ist vom geothermischen Potenzial Frankens schon jetzt überzeugt: "Der Energiegehalt von vier Kubikkilometer Gestein reicht aus, um eine Kleinstadt über Jahrhunderte zu versorgen."

Mehr Infos unter seismik.nat.fau.de

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