Gewalt gegen Retter: Nürnberger Rettungskräfte berichten
16.11.2018, 10:14 UhrWenn aggressive Personen bereits von der Polizei fixiert wurden, versuchen sie oft noch, zu spucken oder zu treten. "Manchmal habe ich vielleicht einen blauen Fleck nach dem Einsatz, aber keine Verletzungen", resümiert die Retterin vom Roten Kreuz.
In Nürnberg gibt es insgesamt zwar keinen klaren Anstieg von Gewalt gegenüber Rettungskräften, heißt es beim Roten Kreuz (BRK) und beim Arbeiter-Samariter-Bund (ASB). Aber: "Ich habe schon das Gefühl, dass die Hemmschwelle gesunken ist, sich aggressiv zu verhalten", sagt Falk. "Das betrifft vor allem verbale Angriffe, da sind die Lautstärke und der Tonfall oft schlimm. Vor allem bei Patienten, die unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen stehen."
Die Sozialpsychologin Susanne Brückmüller sieht keine allgemeine Verrohung der Gesellschaft: "Wenn man einige Jahrzehnte zurückgeht, gab es in anderen Bereichen des Lebens eine viel stärkere Aggressivität. Die Häufigkeit von Wirtshausschlägereien zum Beispiel war höher", sagt die Lehrstuhlinhaberin an der Uni Erlangen. Aber: "Wir haben weniger automatischen Respekt vor allen möglichen Formen von Autorität, und da gehören Rettungskräfte auch dazu."
Was geht in einem Menschen vor, der einen Retter attackiert? "Entscheidend für das Verhalten ist immer, wie die betreffende Person die Situation wahrnimmt — nicht, wie es von außen betrachtet wirkt", sagt Bruckmüller. "Vielleicht ist es ein Angehöriger, der unter Stress steht und deshalb aggressiv wird." Weil er womöglich auch gar nicht richtig begriffen hat, dass da jemand helfen möchte. "Oder jemand ist gerade total auf ein Ziel fixiert, er möchte etwa unbedingt von A nach B und denkt nicht daran, dass es jetzt um jemand anders geht."
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Meistens Patienten aggressiv
Angehörige verstehen oft nicht, warum die Sanitäter etwas anders machen, als sie es sich vorstellen. "Da muss man dann schon mal jemanden zur Seite ziehen", sagt die Sanitäterin Falk. Im Zweifelsfall muss die Polizei geholt werden, damit die Retter nicht in Gefahr geraten. Meist sind es nach Falks Erfahrungen aber die Patienten selbst, die aggressiv reagieren. Vor allem, wenn sie ihre Lage nicht erfassen. Da liegt zum Beispiel jemand in der Innenstadt im Vollrausch auf dem Boden und nimmt einen Sanitäter nur als jemanden wahr, der ihn beim Schlafen stört. "Aber manche begreifen die Situation schon, wenn wir es erklären, viele bedanken sich dann auch", berichtet Falk. "Bei Alkohol und Drogen muss man aber immer mit einem plötzlichen Stimmungsumschwung rechnen. Deshalb sollte man, wann immer es geht, möglichst eine Armlänge Abstand halten."
Auch Verletzungen oder Krankheiten können dazu beitragen, dass Hilfsbedürftige ihre Lage nicht erkennen. "Manchmal hat jemand bei einem Unfall eine Hirnverletzung, ein Patient hat Demenz oder ein Diabetiker ist einfach wegen Unterzuckerung verwirrt", nennt Falk einige Beispiele. "Da begreift dann jemand die Situation nicht, merkt aber, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Das macht Angst, und aus Angst kann leicht Aggression werden."
Wenn jemand für Worte zugänglich ist, sind Erklärungen besser als Anweisungen. "Wichtig ist, dass man Verständnis herstellt", betont die Psychologin Bruckmüller. Das gilt für den unwilligen Patienten ebenso wie für den überforderten Angehörigen oder den gedankenlosen Gaffer: "Die meisten sind ja in der Lage, sich in andere Personen hineinzuversetzen. Manchmal tun sie es aber nicht spontan, dann muss man sie dazu anregen."
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