Gräfenbergbahn lag schon in den letzten Zügen
19.4.2008, 00:00 UhrAus der einstigen Bruchbude ist ein schmucker Kulturbahnhof geworden: Rührige Hände haben das Stationsgebäude von Kalchreuth in jahrelanger Arbeit vor dem endgültigen Verfall bewahrt. Durch die Sanierung wurde die Erinnerung an das Dampflokzeitalter keineswegs getilgt. Vom Fahrkartenschalter bis zur Rampe für den Gütertransport ist noch alles da, was ein dörflicher Bahnhof einst benötigte.
Allerdings sind die Wände des früheren Lagerraums jetzt mit Bücherregalen vollgestellt und im kleinen Wartesaal werden Kinofilme vorgeführt. Ausstellungen und Töpferkurse für die Mädchen und Buben des Dorfes bringen Leben in die ehemaligen Dienstzimmer des Stationsvorstehers. Und statt Dampflokzügen halten heute knallrote, moderne Dieseltriebwagen in Kalchreuth.
Erlangen war schneller
100 Jahre alt ist das mit gelb gestrichenen Brettern verschalte Stationsgebäude, 100 Jahre alt ist die Nebenbahn im Nordosten Nürnbergs: Am 1. Mai 1908 feierten die Bürger in den Ortschaften entlang der 28 Kilometer langen Strecke die Jungfernfahrt der Gräfenbergbahn.
Pläne für eine Zugverbindung zwischen Nürnberg und Gräfenberg reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück. 1877 gab es sogar Überlegungen, die Linie bis nach Bayreuth weiterzuführen. Schneller war dann aber Erlangen mit der «Seekuh» getauften Sekundärbahn: 1886 rollte der erste Dampfzug aus der Hugenottenstadt über Eschenau nach Gräfenberg.
1904 begann endlich der Bau der Trasse von Nürnberg-Nordost in Richtung Heroldsberg und weiter nach Eschenau. Als schwierig erwies es sich für die Gleisbauer, die Kalchreuther Höhe zu erklimmen und den Großgeschaider Berg zu umkurven. 1908 war schließlich die feierliche Eröffnung der Linie. Überschwänglich äußerte ein Festredner die Hoffnung, dass man im «Schnauben des Dampfrosses den Flügelschlag einer besseren Zeit vernehmen möge».
Sonntagsausflügler waren vom neuen Verkehrsmittel begeistert. In Gegenrichtung drängten sich werktags auf der Fahrt nach Nürnberg die Pendler in den überfüllten Holzwaggons. Lange Zeit wies die Strecke mit Ziegelstein (bis 1926) und Buchenbühl (bis 1983) zwei weitere Nürnberger Haltepunkte auf. 1965 war die letzte Dampflokomotive auf der Gräfenbergbahn unterwegs. Da hatte sich schon ein deutlicher Rückgang der Fahrgastzahlen abgezeichnet.
1983 lag die Nebenstrecke der Bahn in den letzten Zügen. «Lokalbahn auf dem Abstellgleis» überschrieben die Nürnberger Nachrichten einen Artikel zum Jubiläum des 75-jährigen Bestehens. Damals verkehrten nur noch fünf Züge pro Tag und Richtung, an den Wochenenden wurden Busse eingesetzt. Doch gegen das endgültige Aus erhob sich lautstarker Protest.
Der Umschwung kam erst mit der Modernisierung der Gräfenbergbahn ab dem Jahr 1998. Mehr als 25 Millionen Euro wurden in die eingleisige Strecke investiert. Moderne Dieseltriebwagen und ein attraktiver Taktverkehr sorgten dafür, dass die Fahrgastzahlen steil nach oben gingen. Längst gilt die Linie R 21 des Verkehrsverbunds Großraum Nürnberg (VGN) als Anschauungsobjekt für die gelungene Revitalisierung einer von der Stilllegung akut bedrohten Bahnstrecke.
Am 1. Mai (Himmelfahrtstag) wird aus Anlass des Jubiläums entlang der Gräfenbergbahn kräftig gefeiert, am Kulturbahnhof in Kalchreuth, am restaurierten Lokschuppen in Eschenau und an den anderen Stationen von Nürnberg-Nordost bis Gräfenberg. Am darauf folgenden Wochenende (3./4. Mai) kehrt die Dampflok für zwei Tage auf die Gräfenbergbahn zurück.
Die Sonderfahrten (ab Nürnberg-Nordost um 10.30, 13.30 und 16.30 Uhr) sind ein ausgesprochen seltenes Ereignis. Tobias Richter vom Verein «Eschenauer Kulturlokschuppen»: «Das ist eine einmalige Gelegenheit, die nicht so schnell wiederkommt».