Flüchtlingshilfe: Ehrenamtliche wünschen sich mehr Unterstützung
12.10.2014, 19:00 UhrDie ehemalige Lehrerin Jutta Vildosola wohnt in Sachsen bei Ansbach. Sie engagiert sich dort zusammen mit anderen Ehrenamtlichen in der Betreuung von jungen Flüchtlingen. Deren Zahl nimmt auch im ländlich geprägten Bundeswahlkreis Ansbach (Stadt und Landkreis Ansbach, Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen) immer mehr zu. Für die Erstaufnahme der Asylsuchenden gibt es zentrale Unterkünfte (in Bayern zwei), und dafür ist der Bund zuständig. Im weiteren Verlauf müssen sich die Länder um die Asylanten und deren Unterbringung und Betreuung kümmern. Federführend sind hier die Bezirksregierungen, etwa die in Ansbach. Stark involviert sind auch die staatlichen Landratsämter. Hier müsse man genau darauf achten, dass die Landkreisverwaltungen eben nicht in der direkten Verantwortung stünden, merkte Stefan Horndasch an, der Fraktionsvorsitzende der CSU im Ansbacher Kreistag. Falls eine Kreisverwaltung etwas für junge Flüchtlinge tun wolle, dann sei das möglich und falle in den Bereich Kinder- und Jugendhilfe.
Jutta Vildosola war mit einem Chilenen verheiratet und lebte in Chile. Sie macht in Deutschland immer wieder die Erfahrung, dass beim Stichwort Ausländer alles in einen Topf geworfen wird. Da sehen die Bürger zum einen die Russlanddeutschen, die von Anfang an viele Rechte haben und vom Staat gar nicht als Ausländer eingestuft werden. Daneben gibt es die jungen Türken oder Angehörigen anderer Staaten und Kulturkreise, deren Eltern oder Großeltern vor Jahrzehnten nach Deutschland einwanderten. Hier reiche die Spanne weit, von gut integriert bis nicht in der Lage und willens, deutsch zu sprechen. Und die dritte Gruppe stehe derzeit im Fokus: die Flüchtlinge aus aller Herren Länder, vor allem aus dem Nahen und Mittleren Osten und aus Afrika, die von Gewalt und Not veranlasst ihr Heil in Europa suchen.
Hausaufgabenhilfe und mehr
Mit Letzteren hat der Kreis der Ehrenamtlichen in Sachsen bei Ansbach zu tun. Jutta Vildosola, die allein lebt und viel Herzblut investieren kann und will, erfährt immer wieder, dass die diversen staatlichen Stellen, die mitunter überfordert wirken angesichts der dramatisch steigenden Zahl der Flüchtlinge, dankbar sind, dass da jemand vor Ort aktiv ist, etwa bei der Hausaufgabenhilfe. Die Ehrenamtlichen kooperieren auch mit den ausgebildeten Fachleuten, etwa Sozialpädagogen in Diensten der Diakonie. Diese würden sich auskennen, hätten aber zu wenig Zeit für den Einzelfall.
Vor allem aber haben es Menschen wie Jutta Vildosola mit Schicksalen zu tun. Da ist der junge Mann, der regelmäßig zum Deutschkurs fährt und seine Fahrkarte verliert. Was tun? Die staatlichen Stellen sehen sich außerstande, sofort einzuspringen. Also strecken die ehrenamtlichen Betreuer das Geld für eine Fahrkarte vor (und bekommen später mitunter nur einen Teil des Betrags ersetzt). Oder: Eine sehbehinderte Afghanin erhält einen Platz im BBS in Nürnberg (Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte). Doch die Ämter wurden sich nicht einig, wer die Fahrkarte zu finanzieren hat. Also öffnete Jutta Vildosola wieder ihren eigenen Geldbeutel. Der Bruder der Afghanin begann nach dem Quali eine Lehre. Als die Firma pleite ging, wechselte er zu einem anderen Unternehmen, aber dieses bezahlt nur ein Minimum an Ausbildungshilfe. Erneut tauchte die Frage auf, von welchem Geld dieser junge Mann seine Fahrkarte bezahlen sollte. Oder: Der Staat stellt 70 Euro bereit für die Ausstattung mit Schulmaterialien. Was aber tun, wenn diese Summe nicht für die Turnschuhe reicht, und seien sie auch noch so billig?
Die Eltern dieser Kinder und Jugendlichen seien oft traumatisiert ob der Erlebnisse in ihrem Heimatland und auf der Flucht. Der Schrecken stecke ihnen in den Knochen. Die Kinder jedoch steckten das besser weg, würden diese Phase der Verzweiflung schneller hinter sich lassen und seien bald bereit, in dem fremden Deutschland neue Erfahrungen zu sammeln und fleißig zu lernen, so Vildosolas Erfahrungen. „Die jungen Leute sind ganz da. Sie haben schnell ihren Boden gefunden und wollen hier bleiben.“ Für die ehrenamtlichen Helfer steht außer Frage, dass sie sich aller Flüchtlinge annehmen, unabhängig von einem möglichen Ausgang des Asylverfahrens. Die Kinder müssten vom ersten Tag an gefördert werden. Vernachlässigung bewirke gar nichts, höchstens etwas Ungutes, nämlich das Gefühl, verlassen, verloren und ausgestoßen zu sein, womit die Bereitschaft, Extremisten zu folgen, zunehme.
Spracherwerb sei wichtig, aber es müsse gar nicht von Anfang an die deutsche Sprache sein, sagte die Migrationsbeauftragte der Gemeinde Sachsen. Die Flüchtlingskinder sollten erst einmal die Sprache der Eltern erlernen. Seien sie darin zu Hause, gelinge der Transfer zu Deutsch ziemlich schnell und mühelos. Im Übrigen lerne man eine Sprache leichter, wenn man das Gefühl habe, in diesem Land gemocht zu werden.
Geld, Raum und Helferbörse
An die CSU-Politiker, oder besser: an die Kommunalpolitik, richtete Jutta Vildosola einige konkrete Wünsche. Die ehrenamtlichen Helfer bräuchten einen Raum, um sich zu treffen und Dinge lagern zu können. Nötig sei auch eine finanzielle Grundausstattung, ein Fonds, mit dem man schnell helfen könne. Darüber hinaus wären eine Helferbörse gut und ein Pool an sinnvollen Materialien, beispielsweise Fahrrädern. Die Arbeit würde wesentlich erleichtert, wenn man schnell auf Dolmetscher zurückgreifen könne. Schließlich sei nicht immer geklärt, wer eine Spendenbescheinigung ausstellen dürfe. Nicht zuletzt regte Jutta Vildosola eine Stiftung an, die kurzfristig Stipendien vergeben kann.
Jan Helmer (Windsbach), Vorsitzender des CSU-Kreisverbands Ansbach-Land, machte deutlich, dass die CSU das Thema sehr wichtig nehme. Man wolle Politik für und mit Migranten machen und denke dabei auch an das Schicksal der Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg. In der heutigen Zeit seien viele Zuzügler in Deutschland gut integriert, dafür gebe es zahllose Beispiele. Gering falle bei ihnen jedoch das politische Engagement aus, und auch die Wahlbeteiligung sei bei dieser Bevölkerungsgruppe niedrig. Die Anregungen von Jutta Vildosola seien wertvoll, etwa die Idee einer Stiftung. Das Problem der Spendenbescheinigung lasse sich über die Kirche oder die politische Gemeinde lösen. Insgesamt brauche die Betreuung der Flüchtlinge auch ehrenamtliches Engagement, die Landratsämter könnten das allein nicht leisten. Überhaupt stehe man vor einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe.
Bundestagsabgeordneter Josef Göppel aus Herrieden hält es für geboten, dass die Flüchtlinge nach der ersten Zeit in kleinen Gruppen und Familien untergebracht werden. Hier könnten leer stehende Gebäude genutzt werden. Im Landkreis Ansbach habe es zuletzt mehrere Unterbringungsangebote gegeben, das sei erfreulich. Göppels Rat an die CSU lautet, sich von den früher gewollten Gemeinschaftsunterkünften zu verabschieden.
MdB Artur Auernhammer aus Weißenburg geht davon aus, dass die Aufgabe der Flüchtlingsunterbringung sich noch lange stellen wird. Die Sorge müsse aber auch den Menschen in den Krisenländern gelten. Hier sei die internationale Staatengemeinschaft gefordert, und zwar in Form von Hilfsaktionen bis hin zu Waffenlieferungen, wenn man bedenke, welchen Gräueln die Menschen dort ausgesetzt seien.
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