„Gunzenhausen wird immer schöner“

14.9.2015, 07:00 Uhr
„Gunzenhausen wird immer schöner“

© Jürgen Eisenbrand

„1950 bin ich aus Gunzenhausen weggegangen“, erinnert sich der inzwischen 79-Jährige. „Nach Kornwestheim bei Stuttgart, wo ich als Taxifahrer gearbeitet habe.“ Dort habe er viele Amerikaner kennengelernt, unter anderem jenen Militärpolizisten, den er vor einem stundenlangen Marsch durch die Nässe bewahrte.

Am nächsten Tag wollte ihm sein Fahrgast das Geld nachreichen, Ortner lehnte ab, wurde zu einem Bier eingeladen – und so zu einem guten Freund des jungen Mannes aus Iowa, dessen Eltern dort eine große Farm bewirtschafteten.
„Mein Freund war schon wieder in den USA, als ich plötzlich ein dickes Briefcouvert von dort erhielt“, erzählt Ortner in seinem charmanten fränkisch-amerikanischen Dialekt. Darin befand sich zu seiner großen Überraschung, eine Bürgschaftserklärung über 50 000 Dollar, die Einwanderer wie er damals brauchten, um in die USA einreisen zu dürfen. Die Eltern seines Kumpels hatten das Geld für ihn hinterlegt, und Jerry Ortner zögerte nicht lange: „Das musste ich probieren.“

Als Ingenieur in New York

Er kaufte ein Ticket, flog nach New York – und arbeitete dort mehr als 20 Jahre als Eisenbahn-Ingenieur, ehe er zusammen mit zwei befreundeten Polizisten nach Laka Havasu City im US-Westküstenstaat Arizona zog. Und von dort aus macht er sich nun regelmäßig zur Kirchweihzeit auf, um am Schießwasen mit Verwandten, alten Freunden und Bekannten Kirchweih zu feiern.

Den Bezug zur alten Heimat hat Ortner, den alle nur „Jerry“ nennen, auf diese Weise nie verloren, und so lauschte er denn auch andächtig der Ansprache, die Bürgermeister Karl-Heinz Fitz gestern im Falkengarten hielt. Und die im Wesentlichen darin bestand, den Alt-Gunzenhäusern zu erklären, was es seit dem vergangenen Jahr Neues in der Stadt gibt.

Der Rathaus Chef erzählte von neuen, erfolgreichen Veranstaltungen (Kulturherbst, Eisbahn, Fischerfest), von alten Events, die neu belebt wurden (Bürgerfest), von der erfreulichen touristischen Entwicklung, Wohnungsbau-Projekten, der Stadthallen-Sanierung und der umstrittenen Hochwasserschutzwand an der Altmühl.

Und er sprach auch vom derzeit drängendsten Problem: der immer weiter steigenden Zahl von Flüchtlingen aus dem Nahen und Mittleren Osten. Derzeit lebten etwa 85 Flüchtlinge in Gunzenhausen, gut verteilt auf die Kernstadt und die Ortsteile. „Das funktioniert hervorragend“, sagte Fitz, „auch dank der vielen freiwilligen Helfer, die sich engagieren.“ Große Sorgen bereiten ihm derzeit die vielen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (UMF), um deren Unterbringung und Betreuung sich die Jugendämter kümmern müssen: „Die sind an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit.“ Und er habe den Eindruck, so Fitz, „dass sich viele Menschen noch gar nicht bewusst sind, was das auf uns zukommt“.

„Wir werden das schaffen“

Etwa in Sachen Kindergärten. Elf dieser Einrichtungen gebe es zu Zeit in Gunzenhausen, „und alle sind voll“, so Fitz. Also werde man zusätzliche Einrichtungen schaffen müssen, was die Stadtkasse massiv belasten werde. Allein an laufenden Kosten, so rechnete der Rathaus-Chef vor, „fallen jährlich 20 000 Euro pro Kindergartenplatz an“. Allerdings gab sich Fitz auch zuversichtlich, als er Bundeskanzlerin Angela Merkel zitierend, ausrief: „Wir werden das schaffen.“ Und hinzufügte: „Aber es wird eine riesige Herausforderung.“

Den ehemaligen Gunzenhäusern erklärte er sodann noch, warum er das so genannte „Haus Silo“ an der Ecke Nürnberger/Bahnhofstraße dennoch nicht zur Flüchtlingsunterkunft machen wolle: Das ganze dortige Areal solle nämlich umgebaut und aufgewertet werden – am liebsten durch die Ansiedlung des Landesamtes für Schule und Kultur, das er heftig für seine Stadt reklamiert habe und das immerhin etwa 100 Jobs nach Gunzenhausen bringe.
Worte, die Jerry Ortner gerne vernahm, hängt sein Herz doch immer noch an jener Stadt, in der er zwei Jahrzehnte seines Lebens zugebracht hat. „Gunzenhausen wird immer meine Heimat bleiben“, sagt der Mann, der in den USA sein Glück fand. Er verfolge die Entwicklung der Stadt mit großem Interesse, und er habe den Eindruck, dass sich vieles hier zum Positiven wandle: „Gunzenhausen wird immer schöner.“
 

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