Gunzenhäuser Gymnasiasten weckten Lust am Lesen
3.2.2019, 07:04 UhrDie Krux ist seit Jahrzehnten in vielen Familien bekannt: mein Kind liest nicht. Internet, Fernsehen und Sport stechen in der Beliebtheitsskala der Freizeitbeschäftigungen das Lesen klar aus, so die Beobachtungen der Abiturienten, die sich seit einem Jahr akribisch auf diesen Moment vorbereitet hatten. "Es geht abwärts mit dem Lesen bei Kindern", meint die Schulbegleiterin des Seminars, Studiendirektorin Christine Höller. Letztlich ist es egal, was die Kinder so alles lesen, die Hauptsache, sie tun es, ist ihre feste Überzeugung.
Alles ist bekannt: Lesen bildet, erweitert den Wortschatz, das Kopf-Kino wird angeregt, und vor allem macht es auch noch richtig Spaß. Wie also soll das angehen, die Lust am Lesen zu wecken? In stundenlangen Teamsitzungen grübelten die Teilnehmer am Projektseminar über die Fragestellung nach, entwarfen Skizzen, Ideen, verwarfen diese wieder, bis sich nach und nach ein stringenter Plan durchsetzte. Das Ganze soll kurzweilig sein, multimediale Sequenzen enthalten, das Publikum mit einbeziehen sowie Interviews mit Solodarstellungen enthalten. Oberstufen-Koordinatorin Höller griff behutsam ein, korrigierte hie und da, beobachtete viel mehr und ließ sich regelmäßig auf den jeweiligen Wissensstand bringen. Schließlich wird der Projektverlauf genauso benotet wie das präsentierte Ergebnis.
Einfallsreiche Beiträge
Dann ging es Schlag auf Schlag. Kaum saßen die rund 60 Grundschüler, moderierte Verena und versuchte zusammen mit ihren anderen Mitschülern im Laufe der rund einstündigen Lese-Show den leseunwilligen Klasskameraden Lorenz mit einfallsreichen Beiträgen seine Meinung doch noch mal zu überdenken.
Mit selbst produzierten Video-Clips präsentierten einzelne Schüler Bücher wie die "Die drei!!!", die von einem Mädchen-Detektivclub handeln, "die einfach cool drauf sind". Lorenz schüttelte erbarmungslos den Kopf. "Ich bin ein Junge, ich will ein Jungsbuch". Also her damit. "Wie wäre es mit den "Drei ???" fragt ein anderer Mitschüler. Es ist gut geschrieben und flüssig zu lesen, wirbt er für sein Buch. Lorenz zögert mit der Antwort. "Oder möchtest du lieber etwas vorgelesen bekommen?", fragt eine weitere Projektteilnehmerin. Lorenz nickt stürmisch, und schon beginnt sie mit einer weiteren Möglichkeit, jemandem das Lesen schmackhaft zu machen.
"Hier kommt Lola", heißt der Roman der renommierten Kinder- und Jugendbuchautorin Isabel Abedi. Im Auditorium wird es mucksmäuschenstill. Es scheint, als ob so manche Kinder die Buchreihe um das beliebte Mädchen Lola, ihrer Familie und ihre Freunde kennen. Auch Lorenz scheint von der kurzen Sequenz der Lesung gefangen. Und weiter geht’s mit dem Präsentieren "cooler Bücher". Die einfallsreichen Schüler organisierten diese teilweise von den Verlagen und der Stadtbibliothek. Ein freundliches Anschreiben wirkte oft Wunder, obwohl nach Höllers Beobachtung kaum noch jemand Bücher verschenkt. Die Rede ist von Donner- und Schattenclans, Tigerstern und einer geheimnisvollen Kiste. Selbst der Klassiker "Wolfsblut" von Jack London wurden dem Publikum empfohlen.
"Oh ist das geil"
Die Grundschüler waren hin und weg. "Oh ist das geil", rief ein aufgeregter Viertklässler laut aus. Dazu trug auch die Dekoration bei. Ein überdimensionaler Stuhl aus Büchern säumte den Eingang der Aula, die Seminarteilnehmer hatten an alles gedacht. Auch an eine Talkrunde mit Harry Potter, Hexe Lilly und Pippi Langstrumpf, die, entsprechend verkleidet, dem Publikum Rede und Antwort standen. "Die Magie der Bücher" war diese Runde umschrieben und auch hier durfte ein toll inszenierter Video-Clip mit Werbung für ein Buch nicht fehlen. Die Romanfiguren erzählten von ihren jeweiligen Biographien, "damit wir mit dieser Methode die Lust aufs Lesen steigern", so ein Schüler.
Ein Gewinnspiel durfte auch nicht fehlen. Dazu wurden kleine Gummibärchen-Tütchen verteilt, die mit einem Zettel versehen waren. Darauf stand ein Buchzitat wie beispielsweise: "Fliegender Stern saß vor dem Zelt seines Vaters und dachte: Es ist schlimm, wenn man noch ein kleiner Junge ist." Das Buch heißt "Fliegender Stern". Wer diesen Satz zufällig auf seiner Gummibärchen-Tüte fand, hatte gewonnen. Ein klitzekleiner Satz kann zu einem Dosenöffner werden, so die Hoffnung der Protagonisten. Eine der glücklichen Gewinnerinnen war die neunjährige Selina aus Rehenbühl, die sich sehr über ihr gewonnenes Buch über zwei magische Zwillinge freute.
"Für mein Leben gern"
Hinterher waren sich Karl und Leo aus Muhr einig, dass diese besondere Schulstunde nicht umsonst war, und schwärmten besonders von den Heldentaten Harry Potters. Ihre Mitschülerin Lina setzte noch eins drauf: "Es ist so toll, dass man liest, und ich tue das für mein Leben gern."
Höller war "sehr stolz" auf die Leistung ihres Abiturjahrgangs, "weil sie wirklich alles selbst geplant, einstudiert, produziert und präsentiert haben". Nachdem erst kürzlich das Projektseminar im Fach Englisch für positive Schlagzeilen bei ihrer Präsentation der Übersetzung der Image-Broschüre der Stadt Gunzenhausen gesorgt hat, zog das Fach Deutsch jetzt nach.
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