Kein einfacher Spagat in Gräfensteinberg
22.5.2015, 22:00 UhrEigentlich wollte sie Architektin werden. Dann musste ihr Vater Hans Seitz, zu diesem Zeitpunkt Schulleiter in Mitteleschenbach, eine Woche zu einer Fortbildung und hatte keine Vertretung für seine Grundschulklasse. Kurzerhand schickte er seine Tochter in den Unterricht, die hatte gerade ihr Abitur in der Tasche und genug Zeit. Nun sitzt diese Tochter, Kerstin Seitz-Knechtlein, in ihrem Büro in Gräfensteinberg und durch das gekippte Fenster hört man Kinder Fußball spielen. Viele Kinder. Viele Kinder verschiedener Altersstufen. Kerstin Seitz-Knechtlein wurde keine Architektin, sondern Lehrerin. Nach der Woche Vertretungsunterricht war ihr klar, dass das ihre Passion ist. Seit 2002 unterrichtet sie Grundschulklassen, unter anderem in Spalt, Heßberg und seit über zehn Jahren schließlich im Schulverband Absberg-Haundorf, wo sie seit einigen Wochen nun auch Schulleiterin ist.
„Das ging alles ziemlich schnell“, sagt die 38-Jährige. Letztes Jahr, Mitte September, einen Tag bevor das neue Schuljahr begann, ließ der ehemalige Schulleiter Walter Müller seine Kollegen wissen, dass er Mitte Februar in den Ruhestand geht. Zu diesem Zeitpunkt war Seitz-Knechtlein seine Stellvertreterin, hatte also bereits Einblicke in die Verwaltungsarbeit. Als dann im Dezember die Stellenausschreibung kam, hatte sie trotzdem leise Zweifel, ob sie sich bewerben solle.
Seitz-Knechtlein ist seit mehreren Jahren neben ihrer normalen Tätigkeit als Lehrerin auch in verschiedenen Schulen in Mittelfranken unterwegs und führt dort Evaluationen durch. Eine für sie wertvolle, aber natürlich auch zeitaufwendige Arbeit. Mehrere Tage verbringt sie in den Schulen, um beurteilen zu können was gut läuft oder verbessert werden könnte. Und dann war da auch noch ihre vierte Klasse, in der es für die Schüler natürlich um den Übertritt geht. Ein Riesenspagat würde es werden, Klassenleitung, Schulevaluationen und die Schulleitung unter einen Hut zu kriegen. Will sie sich das antun? Klappt das überhaupt?
Bevor sich die 38-Jährige diese Fragen selbst beantworten konnte, kamen ihre Kollegen auf sie zu. Sie solle sich in jedem Fall um die Stelle bewerben, man wolle nur ungern jemanden von außerhalb, nein, man wolle sie im Büro der Schulleitung sitzen sehen. Und so tat sie es, sie schickte dem Schulamt ihre Bewerbung. Am 13. Februar verließ ihr Vorgänger sein Büro und verabschiedete sich in den Ruhestand. Am 16. Februar saß Kerstin Seitz-Knechtlein auf seinem Platz – zumindest ab Mittag, denn den Morgen ihres ersten Tages als Schulleiterin verbrachte sie in ihrer Funktion als Klassenlehrerin in der vierten Klasse. „Das ist jetzt aber ein ganz komisches Gefühl, die Schulleiterin als Lehrerin zu haben“, sagte einer der Viertklässler im morgendlichen Sitzkreis. „Du sprichst mir aus der Seele. Für mich ist es auch noch ein ganz komisches Gefühl“, antwortete ihm Seitz-Knechtlein.
Mittlerweile hat sie sich in der Verwaltung gut eingelebt, nicht zuletzt dank der Unterstützung ihrer Kollegen, betont die 38- Jährige. Zwei Kolleginnen unterstützen sie bei der Klassenleitung, ihre Sekretärin übernimmt viel Verwaltungsarbeit, wenn Seitz-Knechtlein im Unterricht ist, und auch das übrige Kollegium steht ihr immer mit Rat und Tat zur Seite. „Ich könnte ständig nur Verwaltung machen, aber dafür schlägt mein Lehrerherz zu stark. Erst kommen die Schüler“, sagt Seitz-Knechtlein, die sich im April eine Woche Klassenfahrt mit ihren Viertklässlern nicht nehmen ließ.
Klassenleitung, Schulevaluationen und Schulleitung, ein Spagat, der nicht einfach ist, der ohne die Unterstützung ihres Stellvertreters, der Sekretärin und der Kollegen wohl gar nicht möglich wäre, und manchmal wird es trotz allem natürlich auch ein bisschen stressig, aber „Schüler geben einem so viel zurück. Dann weiß ich auch an stressigen Tagen, für wen ich das mache“, sagt Seitz-Knechtlein.
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