Mut, Klugheit und Vertrauen in sich selbst

10.7.2015, 12:00 Uhr
Mut, Klugheit und Vertrauen in sich selbst

© Dressler

Es ist eine Art Vorlesung mit grundlegenden Einsichten, Erkenntnissen und Schlussfolgerungen. Vieles könnte man sich in einer stillen Stunde auch selbst denken und erkennen, doch es erscheint viel logischer und schlüssiger, wenn es dieser Geistliche äußert. Dabei macht er aus seinem christlichen Grundverständnis und Urvertrauen keinen Hehl, ohne dies zu sehr zu strapazieren. Der philosophische Vortragsabend in Gunzenhausen richtet sich an jedermann, auch an den, der mit der Bibel wenig anfangen kann.

Anselm Grün hat ein langes Berufsleben an der Benediktinerabtei Münsterschwarzach bei Würzburg hinter sich. Er wirkte dort bis Herbst 2013 als Cellerar, war für die wirtschaftliche Leitung der Abtei mit ihren 20 Betrieben verantwortlich. Dabei war praktisches Tun gefordert. Der Benediktinerpater musste dauernd Entscheidungen ganz weltlicher Natur treffen. Daneben fasste er für sich selbst ganz grundlegende Entschlüsse, etwa den, zu studieren und zahlreiche spirituelle Bücher zu schreiben. Noch immer machen ihm die vielen Termine als Referent große Freude, und er erwähnt auch seine Tätigkeit als Leiter von Managerseminaren. Entscheidungen, wohin man schaut, im Alltag, im Beruf, in wichtigen Lebenssituationen. Worauf kann man bauen, wenn solche Entscheidungen anstehen?

Anselm Grün sagt, dass jeder Mensch für sein Tun verantwortlich ist. Es hilft nicht weiter, andere um Genehmigung eigener Entscheidungen zu fragen. Dabei sollte man sich bewusst sein, dass absolut richtige Entscheidungen unmöglich sind. Klugheit ist hilfreich, ebenso Mut. Dagegen tun sich Perfektionisten schwer, sich zu einer Entscheidung durchzuringen. Sie brauchen lange und zweifeln. Das kann schon am Büfett beginnen, wenn die Person vor einem ewig braucht, um ein ganz bestimmtes Salatblatt auf den Teller zu legen.

Als ein Hindernis sieht der Referent auch, sich alle Türen offen zu halten. Entscheiden heißt, durch eine Tür – oder eine Art Tunnel – hindurchzugehen, dann neue Chancen zu ergreifen und nicht den anderen Türen und damit Optionen nachzutrauern. Dabei kann es vorkommen, dass der Mensch in eine Sackgasse gerät. Er hat sich festgelegt, und dann geht es nicht mehr weiter. Dann gilt es, den Rückweg anzutreten und einen neuen Versuch zu starten. Diese Erfahrung war aber nicht umsonst – „Umwege sind wichtig für das eigene Leben“.

Von den abertausend Ratgebern in Buchform, die dazu auffordern, sein Leben vollständig und dauernd zu verändern, hält Grün nichts. Das hat nach seiner Meinung etwas Aggressives. Besser erscheint ihm der christ­liche Weg der Verwandlung mit dem Ziel, „ganz ich selber zu werden“. Darin schwingt etwas Sanftes mit. Also: bei sich sein, den Grund der Seele erforschen, sich mit seinen Gegensätzlichkeiten annehmen; nicht immer denken, was die anderen meinen!

Es ist verführerisch, sich nicht zu entscheiden, sondern die Rolle des Zuschauers einzunehmen, wie es vor dem Fernsehapparat dauernd geschieht. Der Beobachter weiß alles besser und braucht nicht den Kopf hinzuhalten, wenn es um die Konsequenzen geht. Damit kommt der Mensch allerdings nicht weiter. Er sollte nach bestem Wissen und Gewissen eine innere Haltung formen und danach handeln. Wer später darüber grübelt, der betreibt eine Art Energieverschwendung.

Sich zu entscheiden, ist auch immer eine Sache des Vertrauens. Angst dagegen ist ein schlechter Ratgeber. Wer auf sein „Bauchgefühl“ hört, liegt meistens richtig. Das kann etwa der Personalchef sein, der sich die qualifizierten Bewerber anschaut und dann überlegt, bei welchem es denn nun „passen“ würde. So vorzugehen, ist nicht unbedingt unvernünftig, sondern gibt der Intuition eine Chance. So hielt es ein bekannter Schiedsrichter, als er in einem wichtigen Spiel in der 89. Minute auf Stürmerfoul entschied. Er hatte die Szene gar nicht richtig gesehen, aber gleich gespürt, dass da etwas nicht stimmte. Der Schiedsrichter muss sofort entscheiden – und er lag richtig.

Innere Bilder beachten

Nicht zuletzt kann auch das Gebet vor Entscheidungen hilfreich sein, betonte Anselm Grün. Das Gespräch mit Gott wirkt auf den Menschen zurück. Er erhält eine Art inneres Wissen, das ihn leitet. Auch innere Bilder können dem Menschen Orientierung geben. Da war der Mediziner, der schwankte, ob er eine Landpraxis übernehmen oder an eine Klinik gehen sollte. Er sah sich mit dem inneren Auge als jemand, der in einigen Jahre betrunken hinter einem großen Schreibtisch sitzt – in der eigenen Arztpraxis. Also ließ er dies bleiben und wurde Oberarzt. Er entschied sich richtig, wie der weitere Berufsweg zeigt. Im Übrigen, so Anselm Grün, können auch Träume helfen. Man darf sie nicht direkt für bare Münze nehmen, sollte sie aber im Hinterkopf behalten und ihnen Gewicht beimessen.

Es gibt die schnellen Entscheidungen am Arbeitsplatz, und sie sind einfach notwendig. Andere erwarten Orientierung, sind froh, dass jemand die Sache in die Hand nimmt. Manches geschieht unter großem Druck: Der Automanager überlegt, ob er eine ganze Serie zurück in die Werkstatt rufen muss. Immer wieder kommt es vor, dass sich jemand hinter einem Gremium oder dem Ratschlag eines Unternehmensberaters versteckt, wenn etwa Entlassungen anstehen. Anselm Grün wertet dies als Feigheit.

Oft ist es erstaunlich, wie schwer sich Menschen mit eigentlich Banalem tun: Welche Farbe soll mein nächstes Auto haben? Was für ein Geschenk soll ich meinen Gastgebern mitbringen? Jesus sagte ganz einfach: „Steh auf, nimm Dein Bett und gehe.“ Das bedeutet, das zu tun, was man in seinem Innersten spürt.

Schließlich die ganz schweren Prüfungen – die Gewissensentscheidungen. Sie weichen von den allgemein geltenden Normen ab und machen in der Folge einsam. Sie zeigen aber, dass jeder Mensch eine Würde hat. Wer vor solch einem Scheideweg steht, der sollte auf sein Innerstes hören und muss damit leben, dass er auf Unverständnis stößt und sich unmöglich dauernd und überall rechtfertigen kann.

Mehrmals verweist der Referent darauf, man soll ursprünglich und authentisch sein. Damit meint er eben nicht, auf andere zu hören, Lehrbüchern zu glauben. Wer zu sich selbst gefunden hat, tut sich leichter mit Entscheidungen. Diese sind – eine schöne Definition – Willensakte und nie rein rational.

Dann noch eine Art gemeinsames Gebet und beim Verlassen der Halle die nächste Entscheidung. Der Schrenk’sche Büchertisch mit Werken von Anselm Grün ist groß. Soll man ein Buch kaufen? Seine eigenen Bücher versteht der Pater im Übrigen als Begleiter und nicht als Ratgeber.

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