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"Nicht mal eine Decke": Vermisster war 16 Tage wie "vom Erdboden verschluckt"

9.9.2021, 16:02 Uhr
Solche Polizei-Hubschrauber kommen häufig zum Einsatz, wenn Personen vermisst werden – so bei dem 47-Jährigen, der erst nach 16 Tagen wieder auftauchte.  

© Horst Kuhn, NN Solche Polizei-Hubschrauber kommen häufig zum Einsatz, wenn Personen vermisst werden – so bei dem 47-Jährigen, der erst nach 16 Tagen wieder auftauchte.  

Der Mann war mit seinen Kollegen am Altmühlsee, als er verschwand. Erst 16 Tage später tauchte er in der Nähe des Sees wieder auf. Seine Kollegen berichteten der Polizei, er habe sich komisch verhalten und fühlte sich verfolgt - unter anderem von der Mafia, weiß der stellvertretende Dienststellenleiter der Gunzenhäuser Polizeiinspektion (PI) Marco Lenz.

Nachdem der 47-Jährige verschwunden war, Geld und Handy zurückgelassen hatte, riefen seine Kollegen die Polizei. Ein Großaufgebot suchte daraufhin den Mann. Mittels Wasserschutzpolizei, angefordertem Hubschrauber und Hundestaffel durchforsteten die Beamten den gesamten See und das Ufer. Jedoch erfolglos, berichtet Lenz. Tags darauf suchten sie weiter nach ihm, doch "er war wie vom Erdboden verschluckt", sagt Lenz.

Also wurde der Vermisste zur Fahndung ausgeschrieben. Gleichzeitig nahmen die Beamten Kontakt nach Baden-Württemberg auf, weil sich dort sowohl Firmen- als auch Wohnsitz befinden. Die Recherchen ergaben aber keine Hinweise. Ebenso kontaktierte die Polizei rumänische Behörden, Eltern und Bekannten dort. Denn der Vermisste stammt ursprünglich aus dem südosteuropäischen Land. "Wir dachten, dass er vielleicht heim nach Rumänien ist", erzählt Lenz.

"Panische Angst vor jedem Menschen"

Aber auch sein Umfeld in Rumänien konnte keine Hinweise liefern. Er sei gesund und habe noch nie Suizidgedanken oder ähnliches gehabt. Während der ersten zehn Tage sei der Mann nach Lenz' Worten nirgends aufgefallen und habe auch keine Straftaten begangen. "Er hatte panische Angst vor jedem Menschen", sagt Lenz. So berichteten es die Kollegen des Vermissten.

Marco Lenz ist der stellvertretender Dienststellenleiter der PI Gunzenhausen.  

Marco Lenz ist der stellvertretender Dienststellenleiter der PI Gunzenhausen.   © Isabel-Marie Köppel, NN

Nach zehn Tagen wurde er einmal kurz gesehen. Doch erst nach sechs weiteren Tagen wurde er auf einem Grundstück im Gunzenhäuser Ortsteil Wald wieder entdeckt. Die Bewohner kümmerten sich um den verängstigten Mann und konnten trotz Verständigungsschwierigkeiten herausfinden, wer sein Arbeitgeber ist. Diesen kontaktierten sie, woraufhin sich dieser nach Wald aufmachte, um seinen Mitarbeiter abzuholen.

Gemeinsam fuhren die beiden dann zur Gunzenhäuser Polizei. Dort sei der Vermisste wieder nervöser geworden, so Lenz. Also versuchten die Beamten vor Ort locker mit ihm zu plaudern und ihn zu beruhigen. Anschließend wurde der 47-Jährige zur gesundheitlichen Abklärung ins örtliche Krankenhaus gebracht.

Denn in den 16 Tagen habe er sich nur von Beeren, Äpfeln, Zwetschgen ernährt. "Was er halt gefunden hat", fasst es Lenz zusammen. Bei einem Holzstoß in der Nähe des Walder Gehöfts hatte der Mann sein "Lager". "Das Gras war dort platt gedrückt. Er hatte nicht mal eine Decke", berichtet der stellvertretende Dienststellenleiter.

Ungewöhnlich viele Vermisste an einem Tag

Mittlerweile sei der 47-jährige Rumäne ins Bezirkskrankenhaus gebracht worden, da er offensichtlich unter Verfolgungswahn leidet.
Während der Ausbildung werden die Polizistinnen und Polizisten geschult, wie sie mit solchen Situationen umgehen sollen. Das üben sie laut Lenz unter anderem in Rollenspielen. Dementsprechend seien sie gefasst gewesen.


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So einen kuriosen Fall gibt es nicht täglich auf der ländlichen Dienststelle. Doch der Montag war generell ein herausfordernder Tag für die Beamtinnen und Beamten. Gleich drei akute Vermisstenfälle gingen zudem an diesem Montag ein. Das bedeutet, Menschen mit einer gesundheitlichen Gefährdung oder Selbstmordgedanken sind verschwunden, so Lenz: "Das kam richtig geballt." Die Streifen gingen aus, und es musste Hilfe bei einer anderen Dienststelle angefordert werden. Auch Hubschrauber und Hundestaffel wurden wieder verständigt.

Doch "die Kollegen konnten alle glücklich nach Hause gehen", zeigt sich Lenz froh über den Ausgang dieses besonderen Tages. Eine 56-jährige Urlauberin, die vom Campingplatz Langlau verschwunden war, konnten gesund am Brombachsee aufgefunden werden - ebenso ein 24-Jähriger nach drei Stunden im Gebüsch. Seine Äußerungen habe er nicht ernst gemeint, stellte sich im Nachgang heraus. "Er war stark alkoholisiert", ergänzt Lenz.

Und zu guter Letzt fand ein Gunzenhäuser Polizist während seiner Freizeit beim Spazierengehen mit Hund Balu einen vermissten 80-Jährigen. So konnten sich alle nach diesem Tag mit einem guten Gefühl in den Feierabend verabschieden.

Dieser Artikel wurde am 10. September um 13.30 Uhr aktualisiert.