Schwarzer Humor bei den Altmühlsee Festspielen

26.6.2015, 15:59 Uhr
Schwarzer Humor bei den Altmühlsee Festspielen

© Wolfgang Dressler

„Letzter Wille“ ist nicht filigran angelegt, sondern zielt auf Wirkung, jedenfalls in der Version von Regisseur Werner Bauer. Die Erwartungen sind klar. Das Kusz-Stück soll an das phänomenale „Schweig, Bub!“ vom vergangenen Jahr anschließen.

Erneut trifft sich die Verwandtschaft, und die Protagonisten machen aus ihrem Herzen keine Mördergrube. War es 2014 eine Konfirmation, um die sich alles drehte, ist es diesmal ein Todesfall. Martha Pöhlmann, besser bekannt als Tante Martha, ist gestorben und hinterlässt viel Verwirrung und ein beträchtliches Vermögen. Und wie das bei einem Erbfall so ist, befällt die Nachkommen die Sorge, beim Erbfall zu kurz zu kommen.

Von Trauer keine Rede

Von Trauer um die Verstorbene, die als „alte Jungfer“ endete, kann jedenfalls nicht die Rede sein. Da ist die Schwester Olga (gespielt von Ursula B. Kannegießer) mit ihrem äußerst losen Mundwerk. Erst will sie gar nichts von Marthas Hinterlassenschaft, und dann ist sie mehr als scharf auf das Service – wirklich gut gespielt. Olgas Kinder heißen Ursel und Kurt. Ursel (Tina-Nicole Kaiser), eine psychisch angeschlagene Lehrerin, kann sich einiges an gesundem Menschenverstand bewahren. Sie erkennt mit zunehmendem Abscheu, wie scharf die Verwandtschaft auf den schnöden Mammon ist.

Ganz anders Kurt (Jan Felski), der sich für nichts zu schade ist, um endlich von seinen elenden Geldsorgen befreit zu werden. Auf Rückendeckung durch seine Frau Sigi (Iris Kunz) kann er nicht rechnen, dafür ist die Ehe zu zerrüttet und Sigi dem Alkohol zugetan. Heinz (Hartmut Kühn), Tante Marthas Neffe, hat eigentlich alles, was er zu einem zufriedenen Leben braucht, doch bei ihm schlägt die Sucht nach Reichtum am stärksten durch. Er verliert jedes Maß, um an Marthas Erbe heranzukommen, ein unangenehmer Zeitgenosse – was Kühn überzeugend „rüberbringt“.

Heinz’ Ehefrau Karin (Ilka Sehnert), die bisher immer brav an seiner Seite stand, wendet sich schließlich angewidert ab. Auch diese Ehe hat mehr als Schlagseite, da können auch die Kinder, die vor dem Fernseher abgestellt werden, nichts mehr ändern. Es bleibt noch Karins Bruder Klaus (Steffen Löser), der sich dem Gesang verschrieben hat und nicht zum innersten Kreis der Verwandtschaft gehört. Ein Außenseiter, ein Störenfried. Und es bleibt Tante Marthas Hausmeister Erich Rau (Erwin Kleinwechter), der über die Verwandtschaft den Kopf schüttelt und dessen Hoffnung, dass er für jahrelange treue Dienste belohnt wird, auf wackligen Beinen steht.

Testamente sorgen für Verwirrung

Es taucht kurz nach der verregneten Beerdigung ein erstes Testament auf, das wegen formaler Fehler nicht gültig ist. Somit bleibt noch offen, wem Marthas Mietshaus im Wert von zwei bis drei Millionen zugesprochen wird. Im zweiten Akt wird Marthas Schlafzimmer ausgeräumt, die liebe Verwandtschaft bedient sich an Vasen, Nippes und Bettwäsche bis zu schwarzen Busenhaltern. In der Bettwäsche taucht ein zweites Testament auf, jetzt wird Klaus als Alleinerbe genannt. Allen anderen passt das gar nicht. Das Testament soll vernichtet werden, und alle versprechen, den Mund zu halten – eine ganz feine Gesellschaft.

Der dritte Akt rückt Marthas Bildnis in den Mittelpunkt. Dahinter könnte sich ein Tresor befinden, und neue Schätze locken. Aus der Familienbibel flattern große Euro-Scheine, und man entblödet sich nicht, auf dem Boden kriechend danach zu schnappen. Derweil macht die angetrunkene Sigi aus ihrer Verachtung gegenüber Ehemann Kurt und aus ihrem Drang, einen richtigen Mann zu genießen, keinen Schlappschwanz, keinen Hehl. Auf der Bühne geht es nicht nur in dieser Szene ordinär zu.

Überraschendes Ende

Nach der Pause nimmt das Tempo nochmals zu. Die Erbengemeinschaft kann das Geheimnis des Tresors lüften, doch es tauchen nur alte Videokassetten auf. Und das Geld für Marthas Münzsammlung wird ebenfalls vergeblich gesucht. Für Unruhe sorgt die Nachricht, dass Martha zu Lebzeiten ein Haus in Sachsen kaufte und hier noch Handwerkerrechnungen in Höhe von 1,5 Millionen Euro offenstehen. Die schöne Erbschaft ist jetzt überhaupt nichts mehr wert, man will sie nicht mehr haben. Es stellt sich heraus: Klaus hat alle ausgetrickst, ebenso Tante Martha, die per Videobotschaft ihre Verachtung gegenüber der Verwandtschaft ausdrückt.

Sie hat gewusst, welche Brut ins Trauerhaus kommen würde. Ihre Aussage: „Mit Euch werde ich immer noch fertig, auch nach meinem Tod.“ Und: „Ihr kriegt nichts.“ Das gilt allerdings nicht für Klaus, der auch in der Liebe zum Zuge kommt, und den braven Hausmeister. Der zweite Teil des Abends erscheint zu komprimiert, das Publikum ist fast überrascht, dass schon Schluss ist. Besser, überzeugender war der erste Teil, als sich die Charaktereigenschaften der Akteure und der Erbschaftskrieg mehr und mehr entfalteten.

Selten hat man in Muhr so viele giftige Sprüche gehört wie beim „Letzten Willen“. Mag sein, dass Fitzgerald Kusz auch hier die Lebenswirklichkeit in plakativer Form eingefangen hat. „Schweig, Bub!“ erschien jedenfalls wärmer, näher, nicht ganz so heftig, deftig, derb. Dennoch darf man davon ausgehen, dass auch dieses zweite Kusz-Stück in Muhr viele Freunde finden wird. Auch wenn einem das Lachen ab und zu im Halse stecken bleibt.

Keine Kommentare