Schwimmende Attraktion am Altmühlsee
21.6.2020, 08:36 Uhr"Das ist Geschichte zum Anfassen", schwärmt der Erlanger Althistoriker Prof. Boris Dreyer, der schon seit zwei Jahren mit seinem ersten Römerboot FAN (Fridericiana Alexandrina Navis) in wissenschaftlicher Mission über den See kreuzt (wir berichteten mehrmals). Und Gunzenhausens Bürgermeister Karl-Heinz Fitz, der auch Vorsitzender des Zweckverbandes Altmühlsee (ZVA) ist, verspricht sich davon "eine Attraktion für den Altmühlsee und die Region", die den "Limes, von dem man in der Stadt nicht viel sieht, erlebbar macht". Ein Ziel, das die Stadt schon lange verfolge.
Möglich macht all das in erster Linie das Programm "Living Danube" (Lebendige Donau), mit dem die EU regionale Projekte fördert, die über Staatsgrenzen hinaus wirken. 3,2 Millionen Euro stellt Brüssel den mehr als 30 Projektpartnern dafür zur Verfügung, mit rund 900 000 Euro ist Dreyers Bootsbau darunter der dickste Brocken.
Große Halle notwendig
Das Problem: Für den Bootsbau brauchen der Professor, seine mit historischen Bauweisen vertrauten Handwerker aus ganz Europa sowie die vielen Freiwilligen, die sich beteiligen können, eine ausreichend große Halle. Und für die braucht der ZVA einen geeigneten Standort.
Der sei zwar inzwischen gefunden, verraten Fitz und ZVA-Geschäftsleiter Daniel Burmann, auch erste Planungsarbeiten für das 10 mal 20 Meter große Holzbauwerk seien schon vergeben. Allerdings: Eine Baugenehmigung gibt es noch nicht, und selbst wenn alle Beteiligten guten Willens sind, werde man dafür mindestens "drei bis vier Monate" brauchen, schätzt der Bürgermeister.
Im Corona-bedingt sehr eng gestrickten Haushalt des ZVA sind für heuer schon mal 50 000 Euro für die Halle eingestellt, zudem wurden mehrere in Frage kommende Fördertöpfe – unter anderem beim Bezirk Mittelfranken – angezapft. Mit der Sparkasse Gunzenhausen ist auch schon ein erster Sponsor für die antike Attraktion aufgetan, und Fitz hofft, dass dies noch nicht alles ist: "Über weitere Sponsoren wären wir dankbar", sagt er.
Im Mai wurde Dreyers – derzeit noch namenloses – Boot für das "Living Danube"-Projekt angenommen, das am 1. Juli offiziell beginnt – und da würde er am liebsten auch schon mit dem Bau beginnen. Denn: Die Zeit drängt. Das ganze Unterfangen ist auf eine Laufzeit von 30 Monaten angelegt, aber "schon im Sommer 2022 muss das Boot fertig sein", sagt der Historiker: "Die Förderer wollen nach 24 Monaten Ergebnisse sehen." Und er fügt hinzu: "Schwimmende Ergebnisse."
Zwar kann er also mangels Halle ab Juli nicht mit der Kiellegung starten, aber andere Arbeiten könnten vorgezogen werden: Takelage, Mast, Riemen, eine historische Esse zum Schmieden der 4000 benötigten Nägel. "Aber gut wäre es schon, wenn es ab September zumindest die Bodenplatte gäbe, um den Kiel zu fixieren", gibt Dreyer als Zielmarke vor.
Diese Bodenplatte ist notwendig, weil der Kiel des "Lusoria"-Bootes sehr massiv ausfallen und während der Bauzeit nicht transportabel sein wird. Das nach der FAN zweite Römerboot, mit dem Dreyer den Eigenschaften und Fähigkeiten antiker Wasserfahrzeuge, wie sie einst wohl auch auf der Altmühl unterwegs waren, wissenschaftlich auf den Grund gehen will, wird ein deutlich schwererer Brocken werden als das erste: Mit 18 mal 2,80 Meter ist es zwar kaum größer (FAN: 15,7 mal 2,7 Meter), aber weil es komplett aus schwerem Eichenholz gefertigt wird (bei der FAN ist auch Kiefer verbaut), wird es statt 2,2 rund 5 Tonnen wiegen.
In zwei Jahren also soll das Boot fertig sein, wofür Dreyer auch auf die Unterstützung möglichst vieler Freiwilliger setzt. Für die plant er sogar die Gründung einer Gunzenhäuser Reenactor-Gruppe, die die Historie – hier: den Bootsbau – möglichst authentisch inszenieren soll. Danach soll das Schiff auf Dauer in Schlungenhof vor Anker gehen, sagt Dreyer: "Wenn das gewünscht wird."
Sieben Jahre lang, so die Bedingung der Brüsseler Geldgeber, müsse sich die Erlanger Uni über den 30-monatigen Projektzeitraum hinaus um das Boot kümmern und dabei immer mal wieder als Beispiel für gelebte Geschichte entlang der Donau unterwegs sein, um die damalige Arbeitswelt sowie die römische Bauingenieurskunst und das Militärwesen der Öffentlichkeit näherzubringen.
"Viel Schiffbruch erlitten"
Dass ihm auf absehbare Zeit der Stoff für seine Forschungen ausgehen könnte, glaubt Professor Dreyer nicht: "Die nächsten Jahre sind voll", sagt er. Man werde beispielsweise die beiden Boote, die nach mediterranem Beispielen gefertigte FAN und das nach keltisch-römischem Vorbild gezimmerte "neue" Schiff ausgiebig und unter unterschiedlichsten Segeln testen und miteinander vergleichen. Und zur Art des Farbauftrags, der sogenannten Enkaustik, gebe es ebenfalls noch viel zu forschen: "Da haben wir schon viel Schiffbruch erlitten", sagt Dreyer. "Das Problem ist noch nicht gelöst, auch wenn es nach den Aufzeichnungen des römischen Gelehrten Plinius angeblich ganz einfach ist."
Dreyers großer Wunsch ist es nun, dass er in der Schlungenhöfer Halle möglichst bald mit dem Bau beginnen kann. Und er hofft zudem, sein Vorhaben, das Boot ausschließlich mit historischem Werkzeug zu fertigen, umsetzen zu können. Denn er weiß: Sollte er aus Zeitmangel gezwungen sein, doch das eine oder andere Mal ein elektrisches Werkzeug einzusetzen, würde ihm das massive Kritik von den Vertretern der reinen Lehre seiner Zunft eintragen. "Die sind schon verstimmt darüber, dass das Boot nicht an einem historisch stimmigen Ort entsteht."
Sondern an einem See, den es zu Zeiten der Römer eben noch nicht gab.
Wer Interesse hat, am Bau des neuen Römerbootes mitzuarbeiten, kann sich per Mail (boris.dreyer@fau.de) vormerken lassen.
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