"Was wollt denn ihr mit eurem Frauenfußball?"

25.6.2015, 12:00 Uhr

© Kowal

Hand aufs Herz: Wie viele Spielerinnen der deutschen Nationalmannschaft kennen Sie? Und wer „Frauen-WM 2015 Public Viewing“ googelt, wird sich schwer tun, einen Ort zu finden, an dem man tatsächlich mit einer großen Gruppe vor einem Fernseher, einem Beamer, gar auf einer riesen Leinwand, mit Vorband, Nachband, Getränkestand und Bratwurstverkauf die Weltmeisterschaft der Frauen in Kanada gebannt verfolgen kann.

Der ein oder andere Mann, vielleicht auch die ein oder andere Frau, um die Gender-Karte nicht zu früh auszuspielen, mag bereits jetzt ein augenrollendes „Na ja, das ist halt so“ von sich gegeben haben. Nicht zuletzt spielt natürlich die Zeitverschiebung eine Rolle, aber sind wir ehrlich: Es gäbe auch kein Public Viewing am Brandenburger Tor, fänden die Spiele um 19 Uhr statt. „Es ist halt so“, dass wir zwar am 13. Juli 2014 auch einem Wildfremden um den Hals gefallen sind als Mario Götze das erlösende Tor schoss und einer ganzen Nation irgendwo zwischen Aufatmen und Freudentränen klar wurde: „Wir sind Weltmeister!“

Aber erinnern Sie sich weiter zurück: War das immer so? Deutschland ist eine (Männer-)Fußballnation, schon immer gewesen, aber wirklich so extrem? Oder ging 2006, als Deutschland sein Sommermärchen feierte – besser: feiern wollte – nicht ein Ruck durch dieses Land, der erst dafür sorgte, dass wir – sehr gefährlich übrigens – billige Plastikfahnen an unsere Autoscheiben stecken, Trikots zu völlig überteurten Preisen kaufen und uns zu wenig Schlaf absolut nichts ausmacht, weil ja jeder unausgeschlafen am Tag nach einem Spiel der Nationalmannschaft am Arbeitsplatz erscheint? Beim Titelgewinn 1990 war ich noch ziemlich jung, aber ich kann mich nicht erinnern, dass mein Vater zu meiner Mutter sagte: „Ich bin nochmal unterwegs, wir machen einen Autokorso“.

„Was wollt denn ihr mit eurem Frauenfußball?“ – diesen Satz hat Daniela Hauck, ehemalige Spielerin bei der  DJK Gnotzheim, schon oft gehört. Was sie wollten, die Damen der DJK,  und auch erreichten, war, zweimal aufzusteigen und nun in der Bezirksoberliga zu spielen. Aus der Jugend kommt außerdem stetig tatkräftige Unterstützung. Mädchen-Fußball scheint momentan beliebt wie nie zu sein. „Schön, dass es besser wird“, sagt Hauck.

Zusammen mit ihrem Mann verfolgt die 32-Jährige jedes Spiel der deutschen Frauen-Nationalmannschaft. Beim Achtelfinale gegen Schweden taten ihr das 6,12 Millionen Deutsche gleich – 1,21 Millionen mehr als bei der U21-Europameisterschaft der Männer übrigens. Das 4:0 gegen Thailand am Montagabend verfolgten 6,3 Millionen – ein Marktanteil von stolzen 29 Prozent.
Auch Daniela Hauck erinnert sich, dass sie mit ihrer Mannschaft vor einigen Jahren noch vor einer Handvoll Fans spielte, aber mittlerweile sind auch im Amateursport die Zuschauerzahlen beim Frauenfußball deutlich nach oben geschnellt. „Es wird bei weitem nie so sein wie bei den Männern, aber das Interesse am Frauenfußball steigt definitiv“, sagt Hauck.

 Nicht zuletzt ist das der erfolgreichen Nationalmannschaft zu verdanken, glaubt die 32-Jährige. Für Hauck ist die aktuelle DFB-Elf die beste Werbung, die der Frauenfußball bekommen kann. „Ich fand sie in der Gruppenphase einfach klasse, auch wenn die Gegner natürlich nicht die schwersten waren.“ Auch vom Spiel gegen Schweden war die leidenschaftliche Fußballerin begeistert. „Das lässt hoffen auf den Weltmeistertitel.“

Auch Nina Selz glaubt an den Titelgewinn. Die 30-Jährige ist Trainerin der Damenmannschaft der SG Kalbensteinberg/Absberg. Eine Mannschaft, die deutlich erfolgreicher ist als das männliche Pendant des Vereins. Sie findet, dass der Frauenfußball zumindest in dieser Gegend mittlerweile ein hohes Ansehen genießt. Blöde Sprüche kämen natürlich immer mal wieder, so Selz, aber die ignoriere sie seit Jahren konsequent.

Falls es klappen sollte mit dem Weltmeistertitel erwartet die Trainerin einen erneuten Aufschwung für den Frauenfußball. Bereits 2011, so Selz, habe man während und nach der Frauen-WM in Deutschland gemerkt, dass das Interesse am Frauenfußball steigt. „Schade ist,“, so Selz, „dass im Fernsehen keine Zusammenfassungen kommen, wenn schon die Zeitverschiebung so ungünstig ist.“ Nicht jeder könne sich um 22 Uhr noch mindestens 105 Minuten vor den Fernseher setzen. Die junge Mutter ist gerade in Elternzeit und tut sich da ein bisschen leichter. Aber auch sie schafft es nicht, sich jedes Spiel anzusehen. Generell gehe die Weltmeisterschaft in der Berichterstattung ein bisschen unter, findet Selz.

Eines wird im Gespräch mit Selz, wie auch mit Hauck, aber deutlich: Sie sind leidenschaftliche Fußballerinnen, und ob eine ganze Nation irgendwann dem Frauenfußball verfällt oder nicht, ist ihnen dabei gar nicht so wichtig. Beiden ist bewusst, dass der Frauenfußball nie dieselbe Aufmerksamkeit erfahren wird wie der Männerfußball – „daran wird sich auch nie etwas ändern“, sagt Selz. Ob es trotzdem irgendwann so weit kommt, dass zumindest Mädchen künftig nicht ein Trikot von Neymar oder Schweinsteiger tragen, sondern eines von Nadine Kessler oder Celia Sasic, und ob der Titelgewinn dafür ein Schritt in diese Richtung ist, wird man nach dem Finale am 6. Juli sehen, denn Selz und Hauck sind sich einig: Nachdem wir Frankreich im Viertelfinale am Freitag mit 2:1 geschlagen und im Halbfinale den relativ wahrscheinlichen Gegner USA ebenfalls vom Platz gefegt haben, werden wir – schon wieder – Weltmeister.

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