Zu Besuch im Logenhaus Ansbach
21.2.2015, 13:00 Uhr
Dan Brown und seine „Illuminati“ kommen einem in den Sinn. Eine Bruderschaft, die heutzutage nur noch in Actionfilmen eine Rolle spielt. Doch tatsächlich gibt es aktuell rund 15 000 Freimaurer in Deutschland, und sie leben mitten unter uns. Das nächste Logenhaus steht in Ansbach, dort treffen sich regelmäßig die Mitglieder der JohannisFreimaurerloge „Alexander zu den drei Sternen“, eine der ältesten Organisationen dieser Art in Deutschland.
Drei freundliche Herren begrüßen mich sehr selbstverständlich in dem Logenhaus, das eigentlich reines Männerterrain ist. Einen Termin zu bekommen, war wider Erwarten überhaupt nicht schwer. Auf meine Anfrage beim Großmeisteramt der Vereinigten Großlogen von Deutschland erhielt ich schnell einen Kontakt zum bayerischen Distriktmeister Hannes Brach. Der wiederum schlug mir innerhalb kürzester Zeit das Treffen in Ansbach vor. Mit Hans Zahn und Jürgen Herrmann stehen mir zudem der Meister vom Stuhl der Ansbacher Loge und der Zeremonienmeister des Distriktes Bayern als kompetente Gesprächspartner zur Verfügung, und sie reagieren auf meine vielen Fragen alles andere als zugeknöpft.
Das Einzugsgebiet der Ansbacher Loge reicht bis nach Nördlingen, unter den 48 Mitgliedern der Bruderschaft im Alter zwischen 30 und 92 Jahren findet sich auch eines aus Gunzenhausen. Namen werden allerdings nicht genannt, es bleibt jedem Freimaurer selbst überlassen, sich zu outen. Montags ist in Ansbach „Freimaurertag“, berichtet Zahn, dann treffen sich die Brüder zu Clubabenden, die unter einem bestimmten Thema stehen, aber meist einen zwanglosen Charakter haben, oder zur Tempelarbeit, dem eigentlichen Herzstück der Freimaurerei.
Contemplare, also anschauen, betrachten, steckt in dem Wort Tempel, und das nehmen die Freimaurer ziemlich wörtlich. Obwohl kein Mitglied der Loge und auch noch eine Frau, darf ich am Ende des Gesprächs diesen Tempel besichtigen und bin mir der Ehre wohl bewusst. Ein auf den ersten Blick schlichter Raum, einer Bauhütte nachempfunden. Die Brüder sitzen rechts und links in einer langen Reihe, etwas erhöht am Kopfende ist der Platz des Meisters vom Stuhl. Darüber hängt das 1928 vom Glaser Adam Hedel gearbeitete Fenster, ein Kleinod, das über die Nazizeit gerettet werden konnte. Dass das Fenster während des Rituals von hinten angestrahlt wird, sodass der Schriftzug „per asperam ad astra“ in voller Pracht erleuchtet, erfahre ich allerdings nur aus der Festschrift zum 250-jährigen Jubiläum. Denn die Symbole der Freimaurer sind eigentlich nicht für fremde Augen gedacht.
In diesem Raum vollzieht die Bruderschaft einmal im Monat ihre Rituale, bei denen Symbole, wie das Winkelmaß und der Zirkel, eine große Rolle spielen. Hier geht es um das eigentliche Ziel: ein besserer Mensch zu werden.
Das ist der Grundantrieb der Freimaurerei. Die Arbeit an der eigenen Persönlichkeit, sich selbst zum eigenen Wohl und dem der Gemeinschaft zu vervollkommnen. „Schau in Dich“ ist die erste Stufe, die ein jeder Bruder zu nehmen hat. „Schau um Dich“ weitet den Blick zum Umfeld und wie man mit seinem Bruder umgeht. In der dritten Stufe „Schau über Dich“ geht es um die Auseinandersetzung mit dem Tod und dem eigenen Seelenheil.
Spätestens hier beantwortet sich die Frage, ob Freimaurerei im Jahr 2015 noch einen Sinn macht, von selbst. Ziele diese Art sind nie verkehrt. Doch warum agieren die Freimaurer so im Verborgenen, warum schotten sie sich so von der Öffentlichkeit ab? Das hängt unter anderem mit den zwei großen Tabus der Bruderschaft zusammen, erklärt Hannes Brach. Religion und Parteipolitik bleiben im Logenhaus außen vor, weshalb die Organisation auch keine gesellschaftspolitische Bühne betritt – auch wenn solche Themen unter Brüdern natürlich durchaus diskutiert werden.
Der viel wichtigere Grund, warum nicht jeder im Logenhaus ein und aus gehen kann, heißt Vertrauen. Hannes Brach vergleicht die Bruderschaft mit einer Familie. Unter Brüdern kann frei geredet werden, jeder darf ausreden, niemand wird wegen seiner Äußerung verspottet. Man respektiert sich gegenseitig, man hört sich zu und hat vor allem die Sicherheit, „dass das freie Gespräch hier drin bleibt“, formuliert es Herrmann. Und das ist den Männern sehr wichtig, denn wenn man an der eigenen Persönlichkeit arbeitet, dann kommen auch schon mal Dinge zutage, die man nicht jedem erzählen möchte.
Die Verschwiegenheit der Freimaurer liegt aber auch in ihrer Geschichte begründet. Als sich die Logen im 18. Jahrhundert in Deutschland verbreiteten, waren sie den Herrschenden durchaus noch ein Dorn im Auge. Der „Wilde Markgraf“ etwa stand den Freimaurern ablehnend gegenüber, sein Sohn Christian Friedrich Carl Alexander hingegen gründete 1758 die Ansbacher Loge.
Indem sich die Freimaurer von der Öffentlichkeit abschotten, schützen sie aber nicht nur jeden einzelnen Bruder, sondern geben auch ihre Rituale und Symbole nicht der Lächerlichkeit preis. Ein bisschen merkwürdig muten die Bräuche schon an, wird man als Außenstehender unversehens damit konfrontiert. Es war bei der Beerdigung eines Onkels, als plötzlich drei Herren im Frack, mit weißen Handschuhen und Zylinder, auftraten und bis dahin unbekannte Zeremonien am Sarg vollzogen. So befremdlich ich einerseits den Auftritt fand, so war ich andererseits fasziniert von den Worten des Redners. Denn den Menschen, der mein Onkel offensichtlich in seinem letzten Lebensabschnitt geworden war, kannte ich kaum, ich hatte ihn aus Kindertagen als eher jähzornigen und herrischen Mann in Erinnerung.
Will man sich der Bruderschaft ernsthaft annähern, ist das World Wide Web nicht die schlechteste Adresse, wenn man zu differenzieren weiß. Dort stößt man etwa auf die Homepage der Vereinigten Großlogen. Die meisten Freimaurer finden den Weg in ein Logenhaus aber über persönliche Kontakte. So war das bei Jürgen Herrmann, so war das bei Hannes Brach. Trägt man sich ernsthaft mit dem Gedanken, einer Loge beizutreten, so wird man nach einem einführenden Gespräch als Gast geladen. Suchende nennen die Freimaurer diese Neulinge, die der Gemeinschaft noch nicht ganz angehören, und ein solcher bleibt man mindestens ein Jahr lang. Schließlich geht man quasi einen Bund fürs Leben ein, da muss man sich gegenseitig schon auf Herz und Nieren prüfen.
Es ist auch nicht jedermann in der Bruderschaft willkommen. Extremisten und Fundamentalisten, egal von welcher Seite, „möchten wir nicht in unseren Reihen sehen“, stellt Brach klar, die passen einfach nicht zu den Grundpfeilern Toleranz, Humanität, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Klar kommen manchmal auch merkwürdige Anfragen, etwa wenn wieder ein Film à la „Illuminati“ die Massen in die Kinos lockt, doch die haben meist nicht den langen Atem, den es braucht, um ein Freimaurer zu werden.
Und die Frauen? „Wenn wir als Brüder überzeugt sind, dass diese Ideen so verdammt gut sind, dann können wir nicht die Hälfte der Menschen ausschließen“, lautet die persönliche Überzeugung von Hans Zahn. Doch ebenso ist er davon überzeugt, dass die Trennung von Männern und Frauen, will man ganz offen und ehrlich an sich arbeiten, richtig und wichtig ist. Die Menschen verhalten sich in gemischtgeschlechtlichen Gruppen einfach anders, sagt Zahn und nennt etwa Balzgehabe als Stichwort. Längst gibt es aber eigene Frauenlogen, die nächsten sind in Nürnberg und in Fürth beheimatet.
In den Bauhütten der Steinmetze nahm die Freimaureridee ihren Anfang, viele ihrer Symbole und Rituale fußen deshalb auf damaligen Bräuchen. So zitiert denn auch Brach das Bild vom rauen Stein, den ein jeder Bruder darstellt. Die eigenen Ecken und Kanten zu nivellieren und zu einem „geschliffenen Stein“ zu werden, ist das hehre Ziel eines jeden Mitglieds. Die besseren Menschen, weiß Brach, sind sie deshalb nicht automatisch. Aber immerhin auf einem guten Weg dahin.
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