"Wir sind Kirche": Reformen sind notwendig
23.10.2019, 16:20 Uhr"Die katholische Kirche ist in einer tiefen Krise, auch wenn das nicht alle sehen oder sehen wollen. Aber mit dieser Art Fundamentalismus kommen wir nicht weiter", sagt Doliwa im Hinblick auf den Mitgliederschwund. Alle relevanten Bücher, die aktuell veröffentlicht würden, hätten nur ein Thema: "Reformen jetzt!"
Ob der obere Klerus bereit ist für einen offenen Diskurs, mag er nicht beurteilen. Aber letztlich sei es die Basis, die in dieser Hinsicht für Bewegung sorgen werde, gibt er sich überzeugt. So verfolge er im Moment die Amazonas-Synode mit großem Interesse und großer Sympathie. In Südamerika sei man so weit, über dringend notwendige neue Wege des Glaubens nachzudenken.
In Europa (und auch in der Diözese Bamberg) seien hingegen viel zu viele hohe Geistliche mit juristischem Hintergrund, so Doliwa. Der Hinweis auf das Kirchenrecht sei jedoch nicht hilfreich in der Situation, in der sich die Kirche derzeit befinde. Er selbst sieht seine Aufgabe als Autor und Liedermacher darin, ein anderes Glaubensverständnis zu schaffen, "indem wir die Bibel, das Neue Testament, neu lesen, sie aus der prophetisch-visionären Sicht Jesu interpretieren". Und eben nicht aus der überkommenen Sicht mancher Bischöfe, sondern hin zum Menschen gerichtet, von den Rändern (den Armen) der Gesellschaft aus.
Doch die in Bischofskonferenz und Vatikan immer noch vorhandenen Widerstände gegen Reformen in der kirchlichen Machtstruktur gefährden die überfälligen, geschlechtergerechten Erneuerungsprozesse in der Kirchenkrise, sagt "Wir sind Kirche".
So forderte deren Bundesversammlung die deutschen Bischöfe auf, beim Papst eine Sondergenehmigung zur Einführung des Diakonats der Frau in Deutschland zu erwirken. Dies könne auf der Grundlage der Beschlüsse der Gemeinsamen Synode der deutschen Bistümer ("Würzburger Synode") erfolgen.
Ein Schritt, den Günther M. Doliwa nicht nur begrüßt, sondern für längst überfällig hält. Die Frage der Geschlechtergerechtigkeit müsse endlich beantwortet werden, von diesem Kurs lasse die Basis sich auch nicht mehr abbringen. Selbst Ordensfrauen, die über Jahrhunderte nicht aufbegehrt hatten, würden nun auf eine fairere Rolle in der katholischen Kirche pochen. "Wir haben die Nase voll davon, immer vertröstet zu werden", hat eine Ordensfrau dem Papst bei einer Audienz offen ins Gesicht gesagt – das Oberhaupt immerhin höre da genau hin im Gegensatz zu anderen in der Kurie.
Doliwa: "Wir müssen darauf hinwirken, das bisherige Gehorsamsverständnis abzubauen. Wir müssen nicht mehr auf Bischöfe hören, die durch ihr Verhalten – zum Beispiel bei den Skandalen um sexuellen Missbrauch – der Kirche einen schweren Glaubwürdigkeitsverlust zugeführt haben, sondern diese müssen den Gläubigen zuhören – auf Augenhöhe."
Die Gruppe "Maria 2.0" habe es vorgemacht – Frauen, die sich eigentlich in der Kirche engagieren, aber im Mai eine Woche lang alle Tätigkeiten niederlegten.
Nicht nur das Thema "Frauen" bewegt die Reformer. In einem Positionspapier fordern sie für die nächsten Jahre, dass angesichts "der unsäglichen Schließungen und Zusammenlegungen von Pfarreien in allen Bistümern" noch stärker die Gemeinden und Glaubenden an der Kirchenbasis darin zu unterstützen, selber initiativ zu werden, Verantwortung zu übernehmen und "Kirche vor Ort" zu sein.
So verweist Günther M. Doliwa darauf, dass es im Neuen Testament keine Stelle gibt, die belegt, dass nur ein Priester den Gottesdienst leiten dürfe. Auch der Zölibat sei kein unumstößlicher Glaubensinhalt, er sei im Gegenteil letztlich eher "ein Strukturfehler und Risikofaktor" für die katholische Kirche.
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