"Historischer Tag für Muslime": Sargpflicht in Bayern gelockert

12.10.2019, 20:32 Uhr
In Bayern wird seit über einem Jahrzehnt über eine Lockerung der Sargpflicht gestritten.

© Patrick Seeger, dpa In Bayern wird seit über einem Jahrzehnt über eine Lockerung der Sargpflicht gestritten.

Der Nürnberger Abgeordnete Arif Taşdelen (SPD), integrationspolitischer Sprecher seiner Fraktion, spricht von einem "historischen Tag für alle Muslime in Bayern". Der islamische Ritus sieht vor, Verstorbene in ein Leinentuch zu wickeln und mit dem Gesicht Richtung Mekka gewandt direkt in der Erde zu beerdigen. Im Freistaat muss der Leichnam bisher allerdings zusätzlich in einen Sarg gelegt werden. Damit ist jetzt weitgehend Schluss.

Der Landtag hat beschlossen, die bayerische Bestattungsverordnung so zu verändern, dass eine sarglose Bestattung aus religiösen oder weltanschaulichen Fällen künftig möglich ist, "soweit öffentliche Belange dem nicht entgegenstehen", wie es in dem Antrag der Freien Wähler (FW) heißt. Ihm stimmten im Ausschuss für Kommunale Fragen alle Fraktionen zu, mit Ausnahme der AfD.

Jeder Friedhof muss selbst entscheiden

Ob die Sargpflicht im konkreten Fall tatsächlich gelockert wird, muss demnach aber dem Träger des jeweiligen Friedhofs überlassen bleiben. Es könnte also von Friedhof zu Friedhof unterschiedliche Regelungen geben. Genau daran stören sich die Grünen. "CSU und Freie Wähler schieben die Verantwortung nun den Kommunen zu", ärgerte sich Gabriele Triebel, religionspolitsiche Sprecherin der Grünen.

Ihr fehlen in der neuen Verordnung, die bis Jahresende ausgearbeitet sein soll, außerdem konkrete Aussagen, wie oder wann die Bestattungsreform umgesetzt werden soll. Es sei zum Beispiel nicht verbindlich geregelt, wie mit Waschräumen oder einer unbefristeten Grabesruhe umgegangen werden soll, beides sei für muslimische wie jüdische Bürger von großer Bedeutung.

Für CSU-Mann Max Gibis ist diese Kritik nicht nachvollziehbar. Man habe den Kommunen bewusst einen Spielraum gelassen. "Die Friedhofsträger kennen ihre Gegebenheiten vor Ort schließlich am besten."

"Bayern hat lange genug hinterm Mond gelebt"

Arif Taşdelen wäre es am liebsten, die Sargpflicht komplett zu beerdigen. Der Wunsch nach alternativen Bestattungsformen gelte nicht nur für Muslime, sondern auch für viele Christen. "Bayern hat bei dem Thema lange genug hinterm Mond gelebt." In der Vergangenheit hatte sich vor allem die CSU in ihrer Haltung gegen jede Änderung immer auf die "gewachsene Bestattungskultur" berufen. Der jetztige Koalitionspartner FW war dagegen aufgeschlossener.

Der jetzt gefundene Kompromiss ist für Arif Taşdelen gleichwohl ein bedeutender Fortschritt in der bayerischen Integrationspolitik und ein Signal der Anerkennung und Wertschätzung für andere Religionsgemeinschaften. "Wir zeigenn damit, dass zum Beispiel Muslime und ihre Lebenswirklichkeit  zu Bayern gehören", betonte er. Auch die beiden großen christlichen Kirchen befürworteten die Reform.

 

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