Böse, blöd, einfach gut: Titanic Boy Group bei "hin&herzo"
1.10.2018, 11:52 UhrDiese "Boys" sind ganz schön in die Jahre respektive in die Jahrzehnte gekommen. Oliver Maria Schmitt, Thomas Gsella und Martin Sonneborn, mittlerweile über 50 Jahre alte (Ex-)Chefredakteure des Frankfurter Satire-Magazins Titanic, suchen seit über 15 Jahren die Hallen der Republik heim, um in einer Art Multi-Media-Schau ein Gesamtkunstwerk der Lästermäuler zu präsentieren. Das hat Klasse, das hat Rasse, das ist schlichtweg alles: böse, blöd, gut, schlecht, unter- und oberhalb der Gürtellinie, direkt, versteckt, überdeutlich, gemein – also alles außer politisch korrekt. Titanic-Leser wissen, was gemeint ist.
Treffsichere Bosheit kann manchmal so einfach sein: Einfach mal das Laptop aufgeklappt und diverse Titanic-Cover mit ihren nicht zimperlichen, aber umso treffenderen Bildmontagen an die Wand geworfen – so schnell gibt’s sonst nirgendwo Lacher. Die Kanzlerin, Söder, Seehofer in frech montierten Posen und mit irren Grimassen in verfänglichen Szenarien, das kommt gut. Wort-Witz geht auch: Das Bashing der Sachsen ist im Vergleich mit manch anderen Dialekten durchaus verständlich.
Oliver Maria Schmitt gibt in dieser frech-wüsten Tour de Force des hellsichtigen Geschmacks mit intelligentem Hintergrund mehr oder weniger den Conferencier, der mit honorigem Auftreten die einzelnen Momente anmoderiert und seine Kollegen mit ins Boot holt. Thomas Gsella kommt als Feingeist daher, der seine fiesen Gedankenwelten, beispielsweise zum Städte-Ranking, fast ausschließlich in lyrische Schöngeisterei verpackt, – deren Widerhaken dann umso mehr schmerzen.
Martin Sonneborn ist als Europaabgeordneter von "Die Partei" der Beinahe-Politprofi, der per Video-Schnipsel Arbeitsnachweise seiner Tätigkeit in Brüssel abliefert: Seine geschmeidig formulierten Kurz-Wortbeiträge lassen selbst altgediente Polit-Profis wahlweise verzweifeln oder schmunzeln. Realsatire in einem demokratischen Parlament – kein Wunder, dass diese Schmunzeln machenden Kleinodien bereits in der "heute-show" zu sehen waren.
Aber freilich bleiben die drei Herren anfänglich erst mal beim Austragungsort ihrer Show, Herzogenaurach "am Arsch von Erlangen", hängen. Fehlendes Internet in Mittelfranken, "adidas und der andere" und so weiter – na klar. Natürlich steht es außer Frage, dass national wie international fragwürdige Gestalten – Helene Fischer, Donald Trump – ihr wohlformuliertes Fett abbekommen, die bloße Aufzählung sprachlicher Schwurbelei und falscher Verknüpfungen in den O-Tönen von Sportreportern hat echte Schenkelklopfer-Qualität. Aus der Flüchtlingskrise wird eine "Fürchtlingskrise", die viele Deutsche erfasst hätte, und die Präsentation von "Die Partei"-Wahlplakaten führt die ganze Schlitzohrigkeit der Herren signifikant vor Augen. Auch der pornografische Wahlwerbespot hat’s in sich. Ja, so kann Satire der brachialen Art aussehen. Treffend, witzig, mit entlarvendem Humor. Und trotzdem ganz unaufgeregt.
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