Handball als Türöffner
28.10.2008, 00:00 UhrBereits in jungen Jahren wurde der kleine Volker hoch im Norden mit fremden Klängen konfrontiert. Die Nachkriegszeit und eine dänische Großmutter waren der Grund, dass er die dänische Schule besuchte und so zweisprachig aufwuchs. «Frenggisch» fällt ihm offenkundig schwerer. Doch jetzt, wo er «zum ersten Mal in seinem Leben eine Pause macht», könnte er einen entsprechenden Volkshochschulkurs belegen und wieder lernen.
So wie damals in Flensburg, als er bereits als Achtjähriger beim Schulsport intensiv einstieg. Zunächst war Fußball sein Leben, dann kam Handball dazu und schließlich noch die Leichtathletik. Er war ehrgeizig, trainierte, lernte, heimste in allen drei Sportarten wie bei der beruflichen Ausbildung zum Offset-Drucker Erfolge ein - bis er 1956 die entscheidende Einladung zu einem Lehrgang der deutschen Handball-Juniorennationalmannschaft bekam, was ihn «über Nacht» mit Fußball und Leichtathletik abschließen ließ.
Als «Durchbruch» seiner Handball-Laufbahn im Jahr 1956 bezeichnet er heute den Gewinn des «deutschen Länderpokals der Junioren». Im Feldhandball wohlgemerkt, jener heute nicht mehr üblichen Variante auf dem Großfeld mit elf Spielern.
Mit 18 Jahren bereits mit der ersten Herrenmannschaft des Flensburger Turnerbundes in der höchsten deutschen Spielklasse und gleichzeitig in der Juniorennationalmannschaft zu spielen, bedeutete damals viel Ehre - und eine große finanzielle Belastung in Zeiten schmaler Geldbeutel. Lediglich die Trikots wurden gestellt. Passende Hosen, Stutzen, Sportschuhe mussten selbst angeschafft werden. Unvorstellbar für heutige Zeiten.
Ein Jahr Wehrdienst bei den Panzergrenadieren hinter sich, spielte der Rechtsaußen im Herbst 1959 mit den Flensburgern in Ansbach um die deutsche Meisterschaft - und freundete sich sofort mit dem, seiner Meinung nach «wohl komplettesten Feldhandballspieler der Welt, Erwin Porzner» an. Damit waren die Weichen für Schneller gestellt.
Denn im April 1960 holte Porzner ihn in die mittelfränkische Hauptstadt, in ein Umfeld, in das er sich, wie er schmunzelnd erzählt «sofort verliebte». Einmal in seine spätere Frau Hannelore, genannt Lorly, die er 1965 heiratet, zum anderen in die Arbeit im Handballteam um Spieltrainer Porzner und seine drei Brüder, in die Fangemeinde und deren ureigene Atmosphäre.
Auf neuen Wegen
Beruflich geht er in Franken neue Wege, arbeitet zeitweilig auch für die lokale Presse, zu der er im Ruhestand wieder zurückkehren wird. Als Sportler ist er mit dem TSV Ansbach höchst erfolgreich, wird in den 60ern zwei Mal Deutscher Meister im Feldhandball. An der Seite von Erwin Porzner reüssiert er auch als Spieler in der deutschen Feldhandball-Nationalmannschaft, wird 1966 sogar Weltmeister. Als Trainer führt er die männliche A-Jugend aus Ansbach zum Bayerischen Meistertitel.
1968, als der Kommerz allmählich die Sportartikelindustrie erreicht, lockt Schneller eine neue interessante Betätigung. Bei adidas baut Inge Dassler gerade die Abteilung «Sportlerbetreuung Inland» auf, sucht einen Assistenten. Auf Empfehlung des Sportfreunds Jürgen Kalfelder (Olympiateilnehmer in der Leichtathletik und heute großer Tennis-Macher in Aurachtal), der ihn seit den Ansbacher Erfolgen kennt, holt sie Volker Schneller in die Firma. 16 Jahre wird er dort engagiert als Abteilungsleiter Promotion Inland arbeiten und diese Phase später als den «rundum wertvollsten und ereignisreichsten Abschnitt meines Berufslebens im Kreis wunderbarer Kollegen» bewerten. In diese Zeit fällt auch die Familiengründung. 1969 wird Sohn Frank geboren, Lars 1981.
Einerseits die Freude am Beruf durch den hautnahen Kontakt zu Spitzensportlern aus der ganzen Welt, andererseits das harmonische Verhältnis zur Dassler-Familie, beides sorgt für ein rasches Eingewöhnen in Herzogenaurach. Auch als Trainer hängt sich Volker Schneller rein, besonders beim TuSpo Nürnberg. Und so marschieren die Herren aus der Bezirksliga (1974) durch in die Bundesliga (1981). Beim 1.FC Nürnberg hat er vorher schon die Damen in den 70ern zwei Mal zur Meisterschaft geführt.
Zuweilen erfordern berufliche Umstrukturierungen geistige wie auch räumliche Flexibilität. Als 1984 der TSV Bayer 04 Leverkusen für die Personalverwaltung einen neuen Hauptgeschäftsführer und für die Damen, amtierender deutscher Handballmeister, einen Trainer sucht, machen sich die Schnellers auf nach Nordrhein-Westfalen. Es wird beruflich wie sportlich ein erfolgreicher Wechsel. Drei Mal ab 1985 in Folge holen die Damen die Meisterschaft, zwei Mal den Pokal.
Gesundheitlich dagegen gibt es einen Einbruch. Das Zoster-Virus schlägt 1989 als Folge der Windpocken zu, zwingt den erfolgreichen Trainer für drei Monate in den Rollstuhl. Ein eiserner Wille, eine halbjährige Tour durch Klinik und Reha besiegen letztendlich die dramatischen Lähmungserscheinungen. Volker Schneller nimmt wieder seine Arbeit auf, ohne jedoch künftig ganz stabil zu sein.
Als ihm Bayer nach 43 Berufsjahren ein Angebot zur Altersteilzeit macht, greift er deshalb zu und zieht 1995 frohgemut gemeinsam mit seiner Frau Lorly zurück in seine Wahlheimat. Franken tut ihm gut. So gut, dass er sich wieder als Trainer beim TS Herzogenaurach und dann im Wechsel bei HG und CSG Erlangen engagiert. 1996 holt er mit der HG Erlangen nochmals den Süddeutschen Jugendmeister-Titel, männlich, 2002 beendet er mit 65 Jahren seine Karriere als Trainer.
Journalistische Tätigkeit für die Lokalpresse hat ihm die nächsten Jahre Spaß gemacht. Jetzt, mit 70 und viel Lebenserfahrung, will sich der Jubilar «neu orientieren». Freund Jürgen Kalfelder gibt ihm dazu ein abgewandeltes Zitat von Reinhold Messner mit auf den Weg, das auch für erfolgreiche Leistungssportler und Trainer gelte: «Lieber Volker, unsere Kraft schöpfen wir aus unseren Ideen für die Zukunft, nicht aus den Leistungen, die hinter uns liegen.»
Demnächst soll Volker Schneller Großvater werden. Eine neue Aufgabe? Oder wachsen neue Ideen aus alten Kontakten? Heute wird er seinen Ehrentag mit denjenigen feiern, die ihn über die Jahre begleitet haben, Freunde aus dem Städtla, aus den USA, seiner dänische Zweitfamilie. Die NN gratulieren herzlich.