Heute wäre Georg Schaeffler 100 Jahre alt geworden

4.1.2017, 06:00 Uhr
Heute wäre Georg Schaeffler 100 Jahre alt geworden

© Foto: Stadtmuseum Herzogenaurach/Heribert Spiess

Das Wirtschaftswunder begann in Herzogenaurach mit zwei Brüdern, die aus Kriegstrümmern den global agierenden Konzern INA Wälzlager aufbauten. „Glücksfall“ oder „Segen“ sind im Allgemeinen die Wörter, die in Herzogenaurach im Zusammenhang mit INA Schaeffler fallen. Wie das Glück nach Herzogenaurach kam, erzählt auch eine Sonderschau im Herzogenauracher Stadtmuseum (siehe unten).

Geboren wurde Georg Schaeffler im Kriegsjahr 1917 in Marimont in Elsass-Lothringen. Seine Familie bewirtschaftete dort einen 500 Hektar großen landwirtschaftlichen Betrieb. Die Familie siedelte nach dem Ersten Weltkrieg 1921 in das Saarland über. Nach Arbeitsdienst und Wehrpflicht begann Georg Schaeffler 1938 mit dem Studium der Betriebswirtschaft in Köln. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde er im Januar 1940 zum Wehrdienst eingezogen. Während eines Lazarett-Aufenthaltes im Jahr 1944 schloss er sein Studium mit dem Examen zum Diplom-Kaufmann ab. Sein Vorhaben, an das wirtschaftswissenschaftliche Studium ein Ingenieur-Studium anzuhängen, scheiterte aufgrund der Wirren des Krieges und der Nachkriegszeit.

Als Soldat erlebte Georg Schaeffler die Schrecken der Feldzüge im Osten und später die Kämpfe an der Westfront. Bei Kriegsende landete er nach kurzer amerikanischer Gefangenschaft im oberfränkischen Schwarzenhammer, wo die Familie nach den Kriegswirren wieder zusammenfand.

Erste Nadellager

Schon 1940 hatte Bruder Wilhelm Schaeffler eine Krimmer- und Teppichfabrik im oberschlesischen Katscher erworben. Um das finanziell stemmen zu können, beteiligten sich auch die Familienangehörigen an dem Unternehmen, so auch Georg Schaeffler. Im Zuge der Kriegswirtschaftspläne musste der Betrieb auf die Fertigung kriegswichtiger Erzeugnisse umgestellt werden. 1943 wurde eine Nadellager-Fertigung aufgenommen.

Als Anfang 1945 die sowjetische Armee auf ihrem Vormarsch deutsches Gebiet erreichte, musste die Fertigung zuerst ins sächsische Meerane, dann in eine ehemalige Porzellanfabrik nach Schwarzenhammer in Oberfranken verlegt werden. Hier wurden unter anderem die umbaufähigen Leiterwagen gefertigt, ein damals dringend benötigtes Transportmittel und der Verkaufsschlager schlechthin. Auf der Suche nach einem Grundstück mit Gleisanschluss für ihr Unternehmen kamen die Gebrüder Schaeffler 1946 nach Herzogenaurach.

Ausschlaggebend für die Entscheidung, an der Aurach neu anzufangen, war nicht zuletzt die Person Hans Maier „mit seiner offenen lebensnahen Art“, wie Georg Schaeffler später berichtete. Die Stadt verkaufte den Gebrüdern Schaeffler ein geeignetes Grundstück gegen die Zusage, innerhalb eines Jahres 120 Arbeitsplätze zu schaffen. Ein Jahr später beschäftigte die neu gegründete Industrie GmbH bereits 193 Mitarbeiter. Diese fertigte zunächst Holzartikel für den täglichen Bedarf wie Leitern, Kinderroller, Gürtelschnallen und Knöpfe. Bald kamen Metallprodukte hinzu wie Gewindeschneidbacken, Gelenkkreuzbüchsen und Nadellager für den Ersatzteilbedarf. Aus dieser Anfangszeit stammt auch die Markenabkürzung INA für „Industrie-Nadellager“, die Dr. Georg Schaeffler Jahre später auf Nachfrage seiner Mitarbeiter auch als „Immer neue Aufgaben“ übersetzte.

Georg Schaeffler übernahm mit 29 Jahren den Aufbau der Fertigung und entwickelte in den 1950er Jahren ein umfassendes industrielles Fertigungsprogramm für hochpräzise Wälzlager. Kernstück des Produktportfolios stellte ein damals neuartiges, käfiggeführtes Nadellager dar, das dem jungen Familienunternehmen mit dem Boom der Automobilindustrie ein unaufhaltsames Wachstum bescherte.

Nach dem Tod von Wilhelm Schaeffler im Jahr 1981 führte Georg Schaeffler sein Unternehmen mit Mut, Kreativität und Weitblick, und ihm gelang der Aufstieg zum Weltkonzern.

Pragmatisch und unprätentiös im persönlichen Umgang zeichnete den Konzernchef eine außergewöhnliche Detailkenntnis und ein scharfes Urteilsvermögen aus sowie die Fähigkeit, fachübergreifend „querzudenken“, um für jede Aufgabe eine optimale technische Lösung zu finden.

Heute wäre Georg Schaeffler 100 Jahre alt geworden

© Foto: Schaeffler

Die Technische Universität Karlsruhe zeichnete Georg Schaeffler 1981 für seine Lebensleistung mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde aus. Neben der Verbundenheit mit Herzogenaurach prägte das Gefühl der Verantwortung für das Allgemeinwohl das Denken von Georg Schaeffler, dessen Engagement die Stadt Herzogenaurach im Jahr 1981 mit der Ernennung zum Ehrenbürger würdigte.

1963 heiratete Georg Schaeffler Maria-Elisabeth Kurssa, die zu jener Zeit in Wien Medizin studierte. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor, Georg Friedrich Wilhelm und Christian Johannes, der kurz vor Weihnachten 1975 tödlich verunglückte.

Georg Schaeffler starb am 2. August 1996 im Alter von 79 Jahren. Das Unternehmen hatte mittlerweile 20 000 Mitarbeiter.

Ein Versprechen

Seit seinem Tod führen seine Frau Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann und sein Sohn Georg F. W. Schaeffler als Familiengesellschafter gemeinsam mit dem Management das Unternehmen weiter. „Die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland schien im Laufe der neunziger Jahre immer mehr abzunehmen. Inmitten dieser schwierigen Entwicklungsphase ist der Unternehmensgründer Georg Schaeffler gestorben“, beschreibt Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann die damalige Situation. „Ich hatte meinem Mann das Versprechen gegeben, das Unternehmen in die Zukunft zu führen, was sein großer Wunsch war.“

Heute ist die Schaeffler Gruppe ein Automobil- und Industriezulieferer mit rund 85 000 Mitarbeitern. Mit 170 Standorten in über 50 Ländern verfügt Schaeffler über ein enges Netz aus 75 Produktionsstandorten, 17 Forschungs- und Entwicklungszentren sowie Vertriebsgesellschaften.

 

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