Höchstadts "Fanatics": Zwischen Trikotwaschen und Gewalt

8.12.2016, 09:02 Uhr
Höchstadts

© Foto: Michael Müller

Von der gelb-grünen Wand wirft Johann Baptist Ritter von Spix einen prüfenden Blick in den Raum. Er sieht: fünf Männer Anfang 20 in Kapuzenpullovern, ein paar Ledersofas, dunkle Holztische. Aufkleber, Schals und unzählige Fotos, die viel erzählen von der Fankultur in Höchstadt. Von dem, was wenige Meter entfernt von dieser Hütte, in der die „Fanatics Aischgrund“ ihr Zuhause haben, wöchentlich passiert: im Eisstadion, wo sie sich austoben, wo sie ihre Fahnen schwenken und für den Höchstadter EC singen.

Rückblick. 2011. Diese Jahreszahl rahmt den vermummten Ritter von Spix ein, es ist das Gründungsjahr der Fanatics, Spix ihr Logo. „Es gab zu dieser Zeit einfach keine Fans mehr, die Stimmung gemacht haben“, sagt das einzig verbliebene Gründungsmitglied. Er will anonym bleiben, so wie alle hier. Zu sehr fürchten sie, wegen ihres Engagements Probleme im Arbeitsleben zu bekommen. Acht junge Leute sind es damals, die eine neue Fangruppe gründen, die fortan erst nur bei Heimspielen, später auch auswärts die Alligators unterstützt. „Wir wollten die Halle wieder mit Leben füllen“, sagt einer.

Ultras nennen sie sich inzwischen nicht mehr, der Begriff hat in einer Kleinstadt wie Höchstadt einen zu negativen Beigeschmack, finden die Fanatics. Einen bestimmten, berüchtigten Ruf haben sie sich dennoch erarbeitet. Dass es Vorfälle gab, dass auch sie gewalttätig wurden, verhehlt niemand im Raum. „Da waren viele noch jünger, vieles war einfach nur dumm“, findet einer. „Wir sind alle älter und reifer geworden.“

Außerdem hätten sie einige Leute aus ihrer Gruppe ausgeschlossen, die öfters über die Strenge schlugen. Seit gut zwei Jahren sei jedenfalls nichts Nennenswertes mehr passiert, „mit dieser Gewaltschiene erreichst du nichts, du würdest nur alles kaputt machen“. Gewalt suche jedenfalls kein Mitglied mehr aktiv, einer zählt exemplarisch Konfrontationen mit gegnerischen Fans auf, die sie nicht eskalieren ließen.

Doch auch im Eishockey gilt: Wer sich der Stilmittel der Ultra-Szene bedient, wird von anderen auch nach den ganz speziellen Spielregeln betrachtet. „Wir würden niemals wegrennen und uns unsere Fahnen klauen lassen“, sagt einer der Fanatics.

Größte Choreographie

Gewalt als Mittel zum Zweck, um sich nicht berauben zu lassen, ist für die meisten Ultras legitim. Es erscheint irrational und für den normalen Eishockeyfan nur schwer vermittelbar. „Die Jungs haben kapiert, dass sie Rücksicht nehmen müssen, dass sie mit Gewalt nur sich und natürlich dem HEC schaden“, sagt das Gründungsmitglied, das wegen eigener Kinder inzwischen kürzer tritt.

Es klingt wie die Worte geläuterter Menschen, die begriffen haben, dass sie dem Verein, den sie vorgeben zu lieben, mit einigen Aktionen nichts Gutes tun. Stattdessen kehren sie nach jedem Spiel die Eishalle besenrein, eine Zeit lang haben sie auch mitgeholfen, die Trikots der Spieler zu waschen. Bei vielen Fans des HEC sind die Fanatics deshalb auch beliebt – vor allem aber, weil sie für Stimmung sorgen, weil sie das bloße Spiel zweier Mannschaften mit Gesang und Fahnen zu einem Event machen.

Schon bald wollen sie die größte Choreographie zeigen, die es jemals im Eisstadion gab. Die kompletten Steh- und Sitzplätze soll diese umfassen, an der Umsetzung werden alle knapp 30 Mitglieder beteiligt sein.

Es ist Beschäftigung in einer Stadt, die für sie nicht viel zu bieten hat. „In Höchstadt gibt es drei Kneipen und ein Shisha-Cafe, sonst nichts“, sagt einer. Die Fanatics dagegen bieten Jugendlichen einen Anlaufpunkt, um in einer Gruppe etwas zu erleben, es ist auch eine Antwort auf das magere Freizeitangebot für junge Menschen.

„Leider gibt es viele Leute in Höchstadt, die uns schlecht machen“, sagt einer aus der Runde. Für die Polizei bedeute ihr Erscheinen mehr Arbeit, auch mit Aufklebern und Graffiti haben sie sich unbeliebt gemacht. „Es gehört für uns aber dazu, sich einen Namen zu machen“, erklärt einer. Von seiner Brust blickt einen der Ritter von Spix an. Als wolle er sagen: Das habt ihr zweifelsohne geschafft.

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