Im Reich der Mitte zählt man mit der Hand
16.11.2016, 14:00 Uhr„Ni hao!“: Freundlich begrüßt Lehrerin Yan Yang ihre Klasse. „Ni hao“ kommt sofort als Antwort zurück. Ihre Schülerinnen und Schüler, das spürt man deutlich, haben keine Berührungsängste mit dem neuen Wahlfach China. Der Unterrichtsstoff ist zwar alles andere als leichte Kost, doch die Motivation ist groß, zumal in Wahlfächern kein Leistungsdruck durch Prüfungen oder Hausaufgaben aufgebaut wird.
Außerdem haben sich die Sechst- bis Achtklässler mit recht genauen Vorstellungen auf das Abenteuer China eingelassen. Die Geschichte des Landes fasziniert sie, die Kultur und die Sprache, die einigen der jungen Teilnehmer gar nicht so fremd ist. Denn es sitzen zwei junge Muttersprachler mit in der Gruppe, darunter Yangs Sohn. Auch die zwölfjährige Marie hat schon Vorkenntnisse. „Ich habe drei Jahre in Hongkong gelebt“, berichtet sie.
Die gleichaltrige Lilly interessiert sich ebenfalls für die komplexe Sprache. Sie hat über den Kampfsport Zugang zur asiatischen Kultur gefunden, genau wie David (12). Er hat sich für den Wahlkurs entschieden, weil er mit der Sprache den Grundstein für erfolgreiche internationale Beziehungen im späteren Beruf legen will.
Schulleiter Bernd Lohneiß denkt in ähnlich großen Dimensionen. Er hatte Anfang April dieses Jahres seine Idee vom „Wahlfach China“ vorgestellt und war seinerzeit selbst überrascht von der Resonanz. 26 Schülerinnen und Schüler bekundeten ihr Interesse, regelmäßig nehmen seit Anfang dieses Schuljahres um die 15 teil — eine Zahl, mit der Lohneiß sehr zufrieden ist, zumal sich abzeichnet, dass viele von ihnen weitermachen wollen. Der Wahlkurs China, so wünscht sich der Schulleiter, soll eine feste Einrichtung am Gymnasium Höchstadt werden.
Die Inspiration für das ungewöhnliche Unterrichtsangebot bekam Lohneiß bei einer China-Reise des Konfuzius-Instituts. Dieser gemeinnützige Verein hat sich zum Ziel gesetzt, Sprache und Kultur des Reichs der Mitte bekannter zu machen und bietet — ähnlich wie bei den deutschen Goethe-Instituten — ein breites Kurs- und Veranstaltungsprogramm an.
Dazu gehören auch Schüler-Einzelaustausche. „Einer unserer Schüler hat im Sommer über das Konfuzius-Institut an einem Sommercamp in Peking teilgenommen“, berichtet Lohneiß. Der Jugendliche sei „sehr angetan“ gewesen.
Individuelle Austausche dieser Art kann sich Lohneiß künftig gut vorstellen, einen Schüleraustausch für ganze Klassen vorerst nicht. Trotzdem werden die Verbindungen nach China gepflegt. Mit drei Schulen, die Lohneiß auf seiner China-Reise kennengelernt hat, steht die Schule per E-Mail in regem Kontakt.
Auch die elf anwesenden Schülerinnen und Schüler sind neugierig auf das Land, über das sie im Wahlkurs so viel Neues erfahren. Gerade üben sie mit Lehrerin Yan Yang die Zahlen von eins bis zehn. Nicht nur die richtige Aussprache ist dabei wichtig, sondern auch das Beherrschen der dazugehörenden Handzeichen, die in China eine weitverbreitete Form der Kommunikation darstellen. Damit wird ein Stück Landeskunde vermittelt — ein wichtiger Aspekt des Kurses, in dem es um weit mehr als nur die Sprache geht. Von den Kompetenzen, die die Schüler dort gewinnen, könnten später auch einmal Unternehmen profitieren, ist Bernd Lohneiß überzeugt. Deshalb hält er Ausschau nach Firmenpartnern. „Es gibt am Ort schließlich einige Unternehmen, die geschäftliche Verbindungen nach China unterhalten“, sagt er.
Auch für Referendare, die noch keine feste Anstellung haben, könnte das Reich der Mitte ein lohnendes Ziel sein. Denn deutsche Lehrer, hat Lohneiß auf seiner Informationsreise im Frühjahr erfahren, seien an den internationalen Mittelschulen in China sehr gefragt.
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