Kerwasburschen haben gerade Hochsaison
29.8.2019, 07:00 UhrIm Zentrum der Arbeit an diesem Samstag steht die Bar-Hütte auf dem Plätzchen gegenüber dem Gasthaus Freyung. Das Blockhaus in Fertigteilen stellt den Kerwasburschen die Oberreichenbacher Zimmerei Kurzmann, und ihr Aufbau beginnt Punkt 9 Uhr mit etlichen Quadratmetern Plastikfolie, die auf den Pflastersteinen ausgebreitet wird. Aus den Pflasterfugen hinterher jeden runtergefallenen Kronkorken einzeln herauszuklauben, wäre, bei aller Liebe, doch zu viel Arbeit, sagt Hanna Stumptner. Sie führt für den etwa 70 Mitglieder starken Verein die Kasse.
"Bursch" bis zur Hochzeit
Kerwasbursch wird man im evangelischen Oberreichenbach traditionell nach der Konfirmation und bleibt es bis zur Heirat, sagt Vorsitzender Andreas Holba. Heutzutage freilich sieht man den Brauch nicht mehr so streng an. So gibt es im Verein sozusagen eine "Jugendgruppe" ab acht. Einen kleinen Kerwasbaum stellt der Burschen-Nachwuchs auch schon auf. Und verheiratete Mitglieder über 30 werden auch nicht aus dem Verein zwangsgekündigt.
Die Hüttenwände schweben am Haken eines Autokrans der Zimmerei ein. Die jungen Männer um die beiden Vorsitzenden Holba und Stellvertreter Michael Maier bugsieren sie an Ort und Stelle und verschrauben die Fertigteile zum Kerwa-Zentralgebäude, an dem am kommenden Wochenende möglichst viel Betrieb herrschen soll.
Gleich daneben werden an der Hauptstraße Schausteller-Geschäfte stehen, und die Wirtshäuser im Dorf locken natürlich auch mit Kerwa-Angeboten.
Doch den vergangenes Jahr wiederbelebten Kerwasumzug, das Kranz binden für den Kerwasbaum, das Aufstellen des großen und des kleinen Baums, die Ortsburschenspiele und den Betzntanz, das alles stellen die jungen Leute vom Verein auf die Beine. Und die Arbeit an der Organisation geht bereits zwei Monate vor der Kerwa in die heiße Phase.
Es ist die Schankgenehmigung zu beantragen, eine amtliche Erlaubnis für Veranstaltungen auf öffentlicher Fläche einzuholen. Der Hänger für den Umzug muss zum TÜV. Der Umzug nutzt eine Kreisstraße, was das Landratsamt auch genehmigen muss. Als Veranstalter muss der Verein mit der Musik-Verwertungsgesellschaft GEMA einen Vertrag schließen. Es muss Material zum Kranzbinden eingekauft werden, und so weiter.
All dies, sagt Hanna Stumptner, bevor die ersten Getränke bestellt werden. Wie jedes Jahr braucht man auch vom Sportclub dessen mobile Bar. Der SCO leiht, so Stumptner, den Burschen und Madli auch den Boden für die Barhütte.
Um dies alles zu organisieren, treffen sich die jungen Leute regelmäßig in ihrem Vereins-Bauwagen, der übers Jahr draußen am Geyer-Bierkeller steht, nun aber am Kerwasplatz parkt.
Madli in der Unterzahl
Hier wird zum Beispiel auch besprochen und entschieden, wer mit wem den Betz raustanzt. Nicht ganz so einfach, denn es sollen ja alle mittanzen, und im Verein sind die Madli in der Unterzahl. Aufgabe der Burschen, Partnerinnen für den Tanz am Kirchweih-Montag, abends ab 19.15 Uhr, aufzutreiben. Und natürlich ist der Wagen auch Schauplatz der Geheimgespräche, welcher Kerwasbaum im Umland Ziel eines Oberreichenbacher Rindenschäl-Angriffs werden könnte.
Während sich die Nordwand der Bar-Hütte beim Verschrauben mit dem Westgiebel etwas sträubt, Zimmerermeister Heiko Kurzmann und drei der Burschen sich heftig mühen – "manchmal klappt’s gleich und manchmal ist’s halt verzwickt" – laden andere schon mal die Kühlschränke ab. Bis weit in den Nachmittag werden sie wohl zu tun haben, sagt Hanna Stumptner und nimmt schon mal auf, wie viele Bratwurst-Weggla jeder haben möchte zu Mittag.
Der öffentlichkeitswirksame Einsatz beginnt am Freitag. Um 18 Uhr besuchen die Burschen und die Madli den Kirchweih-Gottesdienst. Anschließend sind die Ortsburschenspiele dran, abends ist Barbetrieb.
Zwei Bäume werden aufgestellt
Am Samstag wuchten sie beide Bäume, den großen und den kleinen, hoch, am Sonntag um 13.30 Uhr startet der Umzug. Der Kirchweihmontag beginnt mit dem Frühschoppen in der Brauerei Geyer mit dem Quetschn-Klaus und endet um 19.15 mit dem Betzntanz.
Strapaziös, vor allem, weil man auch ab Samstag den Kirchweihbaum bewachen muss. Trotz einiger Versuche auswärtiger Burschen hat der Oberreichenbacher Baum bisher immer seine Rinde behalten, sagt Hanna Stumptner.
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