Realschüler glänzen auf der Bühne
15.05.2018, 05:57 UhrAls Paulina Walz in der Rolle der Claire Zachanassian die Bühne betritt, mag man kaum glauben, dass es sich um eine Neuntklässlerin handelt. Die Maske (Carolin Frötsch und Lele Sperschneider) hat ganze Arbeit geleistet, aus der Schülerin eine alternde Milliardärin zu zaubern. Schminke und Kostüm sind jedoch nur das eine. Paulina Walz ist vom ersten Moment an derart präsent, dass es ihr gelingt, das Publikum völlig in ihren Bann zu ziehen. Sie spielt die Rolle nicht nur, sie lebt sie förmlich.
Der Gang der Claire Zachanassian ist, auf einen Stock gestützt, leicht eckig, hat sie doch ein künstliches Bein. Ihre Sprache ist klar und akzentuiert, der hochmütige, leicht gelangweilte Ton klingt immer durch. Nur wenn Claire alleine mit ihrem ehemaligen Geliebten Alfred Ill ist und sich an Vergangenes erinnert, lässt Paulina Walz ein wenig Verletzlichkeit durchschimmern.
Ihr Gegenpart Ill wird ebenso nuanciert von Rik Johnen verkörpert. Dass die weiß gesprühten Haare manchmal "stauben", tut dem intensiven Spiel keinen Abbruch. Johnen zeigt die Entwicklung seiner Figur vom großspurigen Frauenversteher, der glaubt, die Milliardärin immer noch um den Finger wickeln zu können, bis hin zum gebrochenen Mann in vielen kleinen Details. Besonders emotional gerät die Szene, als Ill von den Güllener Bürgern am Bahnhof indirekt daran gehindert wird, aus dem Dorf zu fliehen.
Claire Zachanassian hat nämlich einen Preis auf seinen Kopf ausgesetzt: Eine Milliarde für das verarmte Güllen, wenn jemand Alfred Ill, der ihr in jungen Jahren großes Unrecht getan hat, tötet. Freilich lehnen die Bürger dieses Ansinnen zunächst entrüstet ab. Doch nach und nach bröckelt die Fassade, die Bürger lassen anschreiben, machen Schulden. Alfred Ill wird immer verzweifelter, doch keiner nimmt seine Bedenken ernst. Anton Ruß legt den Bürgermeister jovial und leicht überheblich an. Ein neues Bürgerhaus? "Man wird doch wohl noch planen dürfen."
Der Polizist (Aileen McGuinness in bester Macho-Manier) wimmelt Ill ab; er muss sich um den entlaufenen Panther der Zachanassian kümmern.
Und nicht einmal der Pfarrer (Emily Miller) nimmt Ills Ängste ernst. Immerhin rät er ihm zur Flucht, denn auch er spürt die Macht des Reichtums. Dass alle Bürger langsam dieser Versuchung erliegen, wird daran deutlich, dass sich plötzlich alle neue Schuhe kaufen. Regisseur Markus Bedruna wählt hier ein plakatives, aber eindrucksvolles Stilmittel. Alle Güllener sind schwarz gekleidet, die gelben Pantoffeln stechen dann umso deutlicher hervor.
Auch die Ärztin (Annika Geiger) und der Lehrer (Tobias Adamczewski) sind nicht gefeit, obwohl vor allem der Lehrer seine Menschlichkeit in Gefahr sieht. Er als einziger versucht noch aufzubegehren gegen das unmoralische Angebot der Milliardärin. Adamczewski verkörpert den innerlich zerrissenen Lehrer glaubwürdig und mit viel Gefühl. Er will das Ruder herumreißen und an die Öffentlichkeit gehen. Aber da ist es bereits zu spät. Ill stellt sich seiner unrühmlichen Vergangenheit, die Güllener erliegen der Versuchung und töten Ill.
Markus Bedruna und seine Regieassistentin Karin Stockert führen ihre Schauspieler zu Höchstleistungen. Was die Schüler hier in knapp zweieinhalb Stunden leisten, ist bemerkenswert. Und nicht nur die Hauptrollen, auch die Nebenrollen sind punktgenau besetzt und agieren mit viel Engagement. Für Heiterkeit sorgen vor allem Koby (Fritzi Ruß) und Loby (Kimberly Hayward). Die von der Zachanassian kastrierten und geblendeten Güllener, die sie einst verleumdeten, treten immer im Doppelpack auf und sprechen synchron — was den Schauspielerinnen scheinbar mühelos gelingt, aber sicher viel Proben erforderte.
Dass insgesamt viel Arbeit in der Produktion steckt, merkt man der Inszenierung an. Die Bühne ist reduziert, einzelne Spielorte werden durch Beleuchtung in Szene gesetzt. Hier ist die Technik gefragt: Patrick Bohr, Lorenz Hein und Max Braun.
Großes Lob für die Regie, das perfekt aufeinander eingespielte Ensemble und die spür- und sichtbare Spielfreude jedes Einzelnen.
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