Sekten-Anhänger aus Lonnerstadt wegen Kindesmisshandlung vor Gericht
17.1.2014, 17:27 UhrWegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen hat die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth Anklage gegen einen Sekten-Guru und dessen Lebensgefährtin erhoben. Das Paar aus dem Landkreis Erlangen-Höchstadt soll zwischen 1999 und 2002 seinem an Mukoviszidose erkrankten Kind keine Medikamente gegeben haben und nicht mit ihm zum Arzt gegangen sein.
Den Ermittlungen zufolge war die Mutter des damals zwölfjährigen Buben Ende 1999 mit dem heute 54 Jahre alten Gerhard Lebok zusammengezogen, der sich Lehrer der „Neuen Gruppe der Weltdiener“ nennt. Laut dem selbsternannten Guru sind die Heilkräfte der Sonne besser als jeder Arzt. Kinder in der Gemeinschaft bräuchten deshalb generell keine Krankenversicherung.
Die 48-Jährige habe die Medikamente ihres Sohns entsorgt und seine Krankenversicherung gekündigt, sagte Oberstaatsanwältin Antje Gabriels-Gorsolke am Freitag. Das Kind sei auch immer wieder zum Verzicht auf Nahrung angehalten worden, obwohl bei Mukoviszidose kalorienreiche Ernährung notwendig sei. Selbst als sich die Gesundheit des Kindes erheblich verschlechterte, soll das Paar keinen Arzt aufgesucht haben.
Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe
Das Paar bestreitet die gegen sie erhobenen Vorwürfe. Bei ihrer Vernehmung gaben sie laut Staatsanwaltschaft an, der Bub hätte jederzeit selbst zum Arzt gehen können. Dies habe er aber nicht gewollt. Außerderm habe er von sich aus nicht mehr krankenversichert sein wollen.
Nach Recherchen des WDR wog der Junge nur noch 27 Kilogramm, als er im Alter von 16 Jahren zu seinem leiblichen Vater flüchtete. Er habe die Hälfte seiner
Lungenfunktion eingebüßt, sagte die WDR-Filmautorin Beate Greindl am Freitag der Nachrichtenagentur dpa. Sie hat über die „Neue Gruppe der Weltdiener“ bereits mehrere Reportagen gedreht.
„Die Sekte glaubt an Telepathie, versteht Kinder als Erwachsenenseelen in Kinderkörpern und behandelt sie entsprechend“, sagte Greindl. Auch die beiden Geschwister des Buben seien ohne Medikamente, Krankenversicherung, Süßigkeiten und Spielsachen aufgewachsen.
Die Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen in diesen beiden Fällen aber vorläufig eingestellt: „Der
Fall des Jungen wiegt einfach wesentlich schwerer, weshalb hier Anklage erhoben wurde“, sagte Oberstaatsanwältin Gabriels-Gorsolke. Bei einer Verurteilung drohen den beiden Sektenmitgliedern bis zu 15 Jahre Gefängnis.<
Dieser Artikel wurde am 17. Januar um 17.30 Uhr aktualisiert.
1 Kommentar
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen