„Tante Nanni“ war die souveräne Stimmenkönigin
14.12.2012, 18:16 UhrDie am 15. Dezember 1892 Geborene wurde 1946 nicht nur als erste Frau in den Herzogenauracher Stadtrat und 1956 in den Kreistag des ehemaligen Landkreises Höchstadt/Aisch gewählt, sie amtierte darüber hinaus in ihrer Heimatstadt von 1961 bis 1966 als zweite Bürgermeisterin.
Lokalhistoriker Franz Daigfuß hat den Werdegang dieser außergewöhnlichen Frau zurückverfolgt: Sie gehörte zu der hier weit verbreiteten Peetz-Sippe und war das Nesthäkchen einer achtköpfigen Familie, deren Oberhaupt, der 1848 geborene Leonhard Peetz, als Tuchmachergeselle mehr als 20 Königreiche, Herzog- und Fürstentümer durchwandert hatte, bevor er – nicht zuletzt durch Erbschaft und Einheirat in eine begüterte Familie – auf der Heinrichsmühle an der Aurach eine Tuchfabrik einrichtete. Später sorgte er für das erste Maschinen betriebene Dampfwerk Herzogenaurachs, und zwar auf dem Gelände zwischen Aurach-„Ofall“ und Würzburger Straße, wo heute ein Haus für betreutes Wohnen steht.
Das wohlbehütete jüngste Kind, Anna Peetz, heiratete 1913 den aus München stammenden Tapezierer Georg Herrmann, der zum angesehenen Schuhmodelleur umschulte. Mit ihm zusammen betrieb sie einige Zeit das „Volkshaus“, Gaststätte und Saal der Arbeiterbewegung, die von nun an ihre politische Heimat wurde.
Als der Ehemann, den die US-Militärs nach Kriegsende aufgrund seiner Nazi-freien Integrität ins beratende Gemeindegremium berufen hatten, durch eine schwere Erkrankung für die Parteipolitik nicht mehr zur Verfügung stand, ließ sich Anna Herrmann auf die SPD-Liste setzen und wurde am 27. Januar 1946 in den Stadtrat gewählt. Zwischen 1948 und 1966 wiederholte sie diesen Erfolg fünf Mal, meist als souveräne Stimmenkönigin. Beispielsweise übertraf sie 1966 mit einem Ergebnis von 4801 den nächst Platzierten der 20-köpfigen Stadtratsliste um 831 Stimmen.
Alternative zur Männerriege
Laut Willi Mehler, altgedienter Sozialdemokrat und um zwei Ecken mit „Tante Nanni“ verwandt, gewann sie die Wähler durch ihre einfache, menschliche Art. Mit dem stets offe-nen Ohr für die Allgemeinheit und kaum in ideologisch-parteilichen Zwängen verhaftet, bildete die freundliche ältere Dame die Alternative zur ehrgeizigen Männerriege, besonders auch zum bisweilen recht autoritären ersten Bürgermeister Hans Maier, mit dem sie allerdings privat eine herzliche Freundschaft verband.
Darüber hinaus hatte sie nach Kriegsende in der Volksküchen-Baracke am Postplatz mitgeholfen, die Bedürftigen zu verköstigen, und ab Dezember 1948 eine Leihbücherei im Erdgeschoss ihres Wohnhauses an der Goethestraße eröffnet, wo sich die Lesehungrigen der Wiederaufbauzeit gegen geringe Gebühr mit Literatur eindecken konnten.
Schmerzliche Enttäuschung
Doch brachte ihr der Mai 1966 auch die politisch schmerzlichste Enttäuschung, als sie der Stadtrat überraschend nicht mehr zur zweiten Bürgermeisterin kürte, obwohl Anna Herrmann dieses Amt fünf Jahre lang mit Freude und Pflichtbewusstsein ausgeübt hatte. Ihr sozialdemokratischer Kollege, Konrad Welker, wurde mit Hilfe zweier anderer SPD-Räte sowie der Fraktionen von CSU und ÜWB mit 12:9 Stimmen gewählt, was sicherlich mit dazu führte, dass die tief Enttäuschte ihr Mandat 1972 beendete. Eine zweite Ursache für den Rückzug aus der Politik war der Tod des einzi-gen Sohnes und der Schwiegertochter noch während ihrer letzten Amtsperiode in der Gemeindevertretung, nachdem Ehemann Georg bereits 1948 das Zeitliche gesegnet hatte.
Zusammen mit der Rektorin der Mädchenschule, Mater Rosalie Göller, wurde Anna Herrmann im Dezember 1970 vom Stadtrat einstimmig zur Ehrenbürgerin ernannt — „als Dank für uneigennützige und beispielhafte Förderung des örtlichen Gemeinwesens“, wie in der Urkunde stand. Und im März 1972 überreichte ihr der Herzogenauracher CSU-Landrat Georg Dassler die Medaille für kommunale Verdienste, wobei er in seiner Laudatio hervorhob, dass sie engagiert im Sozialausschuss des Landkreises gearbeitet und „mit vorbildlichem Einsatz an der Entwicklung von Herzogenaurach mitgewirkt“ habe.
Als die anerkannte und verehrte „Tante Nanni“ am 25. März 1980 starb, war die Trauer groß, selbst bei denjenigen, die nicht der SPD angehörten.
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