Virtueller Vereinsabend: Der Schachklub Höchstadt spielt online
23.3.2020, 07:02 UhrHoschi81 geht zum Angriff über. Mit seinen zwei Türmen setzt er RedHos unter Druck und zwingt ihn, mit seinem König zu fliehen. Doch auch RedHos hat seinen Turm strategisch gut platziert. Als er es schafft, die gegnerische Dame zu schlagen, wird es spannend. Ein paar Züge später muss Hoschi81 aufgeben: Mit einem König und ein paar Bauern hat er keine Chance mehr.
Schachspieler waren schon immer erfindungsreich, wenn es darum ging, sich mit Gegnern zu messen, denen man nicht nah sein konnte. Im Fernschach schickte man sich die Züge früher per Postkarte. In Corona-Zeiten hat der Höchstadter Schachklub sein Vereinsleben ins Internet verlagert, auf die Plattform chess.com. Vielleicht kommt dem Sport dabei entgegen, dass er einen gewissen Nerd-Faktor hat. "Nicht jeder Schachspieler ist EDV-affin. Aber viele, die mit EDV zu tun haben, sind schachaffin", sagt Michael Brunsch, Spieler der ersten Mannschaft, Jugendtrainer und selbst beruflich IT-Projektleiter.
Der reguläre Ligenbetrieb musste auch im Schach abgesagt werden. Den SC hat das vor der entscheidenden Runde um den Aufstieg aus der Bezirksoberliga getroffen. Brunsch stimmt es traurig: "Man geht ja in den Verein, weil man gleichgesinnte Leute und das Gemeinschaftsgefühl sucht."
Trainingsstunden über Skype
Doch Schach hat einen Vorteil: Der Sport lässt sich auch digital gut ausüben. Bei den Blitzschachturnieren des SC traten am Wochenende bis zu 15 Spieler im Internet gegeneinander an. Neben dem Chat konnten sie sich parallel über Skype unterhalten. So war es ein virtueller Vereinsabend. "Wir haben Witze gerissen, es war total gesellig. Sonst ist Online-Schach eher anonym. Aber das Gemeinschaftsgefühl kam groß heraus", erzählt Brunsch.
Ein bisschen ungewohnt war es für manche Spieler. "Ich bin arg nervös, für mich ist das Neuland", teilte Sebastian Dietze, Pressereferent des Vereins, noch während des Turniers mit. Gewonnen hat er es am Ende trotzdem. Doch natürlich macht es einen Unterschied, ob man Figuren aus Holz oder Figuren aus Pixeln bewegt.
"Im realen Schach können Fehler passieren, die vielleicht keinem auffallen. Das Programm dagegen merkt das sofort", sagt Brunsch. Und noch etwas fehlt: die Psychologie. Wenn man seinem Gegner gegenüber sitzt, kann man ihn beobachten. Verzieht er die Miene? Gute Schachspieler verbergen gerne ihre Gesichtszüge. Weltmeister Garri Kasparow zum Beispiel zog wilde Grimassen. Das beeinflusst, welche Züge ein Spieler macht. "Man versucht vielleicht nicht immer den besten, sondern den unangenehmsten Zug zu machen", erzählt Brunsch.
Und natürlich fehlt auch die Turnieratmosphäre, viele Leute, die viel nachdenken. "Man spürt dann die Energie, die im Raum ist", sagt der Jugendcoach. Da ist dann nicht einmal das Klingeln eines Handys erlaubt. Im heimischen Wohnzimmer ist das anders. "Bei einem kam das Kind herein und hat kurz rumgemeckert", sagt Brunsch und muss lachen.
Der Jugendtrainer will ab der kommenden Woche Trainingsstunden über Skype anbieten. "Die Eltern sind begeistert, weil die Schüler vom Corona-Wahnsinn abgelenkt sind." Der Vorteil von Online-Schachprogrammen: Man kann mit ihnen Partien aufzeichnen und analysieren. Die Spiele der Nachwuchs-Blitzturniere will Brunsch sich erneut anschauen und ins Training einbauen.
In den kommenden Tagen und Wochen möchte der Höchstadter Schachklub noch viele Turniere im Internet abhalten. Die eigentliche Bezirksoberliga-Saison ist vom Verband bislang nur aufgeschoben. Ob man sie digital fortsetzen könnte? Das ginge Brunsch doch zu weit: "Online, das ist doch ein ganz anderes Schach als das, bei dem man sich gegenüber sitzt." Trainieren aber kann Hoschi81 weiterhin fleißig.
Info: Zu den Online-Turnieren des SC Höchstadt ist jeder Interessierte eingeladen. Ansprechpartner ist Elias Pfann, per Email erreichbar unter webmaster@sc-hoechstadt.de. Erforderlich ist eine kostenlose Registrierung auf chess.com