Wo Opfer Hilfe finden

21.03.2013, 17:34 Uhr
Wo Opfer Hilfe finden

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Die 24-Jährige konnte sich einfach nicht wehren. Hilflos stand sie ihrem brutalen Partner gegenüber, der fast doppelt so alt war wie sie. Er vergewaltigte sie, behandelte sie schlecht.

Doch Mittel dagegen fand sie zunächst nicht — und meldete sich dann beim Weißen Ring. „Mit unserer Hilfe hat sie den Mann, von dem sie sich zu trennen versuchte, dann angezeigt“, sagt Elke Yassin-Radowsky, die Leiterin der für den Landkreis zuständigen Außenstelle des gemeinnützigen Vereins.

Doch die Probleme hörten damit nicht auf: „Denn in der Justiz ist es nicht vorgesehen, dass Menschen sich nicht wehren, weil sie hilflos sind.“ Weil die 24-Jährige dem Mann nicht klar genug seine Grenzen aufgezeigt hatte, wurde das Verfahren eingestellt.

Der Fall nahm dennoch eine Wendung: „Der Täter hat dann noch eine andere Frau vergewaltigt, die sich lautstark wehrte. Daraufhin griff die Polizei zu“, erinnert sich Yassin-Radowsky. Der Mann kam in Untersuchungshaft, wurde später zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. „Und dadurch, dass sie den Prozess besucht hat, konnte auch die 24-Jährige den Fall verarbeiten“, sagt Yassin-Radowsky. Verarbeiten — genau dabei hilft der Weiße Ring den Verbrechensopfern. Yassin-Radowsky und ihre neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreuen die Opfer, helfen zum Beispiel beim Umgang mit Behörden, begleiten zu Gerichtsterminen, unterstützen bei materiellen Notlagen in Zusammenhang mit der Straftat, helfen bei der Suche nach einem Therapieplatz für traumatisierte Vergewaltigungsopfer, vermitteln bei Bedarf einen Rechtsanwalt.

Die Gespräche mit den Mitarbeitern des Weißen Rings finden beim jeweiligen Hilfesuchenden zu Hause statt, schließlich fühlen diese sich „in der vertrauten Atmosphäre am wohlsten“.

Rein ehrenamtlich

Denn die Erfahrung des Vereins zeigt: Opfern von Straftaten fällt es oft schwer, über die Tat zu sprechen — und doch ist es noch schwerer, mit den daraus entstandenen Problemen allein zurecht zu kommen. Seine ehrenamtliche Arbeit finanziert der Verein durch Spenden, Mitgliedsbeiträge, Erbschaften und auch die Zuweisung von Geldbußen.

Kommen kann jeder, der Opfer einer Straftat wurde, ob Handtaschenraub, Körperverletzung oder Stalking. „Wenn eine Frau von ihrem Ex-Mann oder früheren Freund verfolgt wird und mit unzähligen Anrufen oder Mails belästigt wird, raten wir erst einmal, dass sie alle Vorfälle auflisten soll“, sagt Yassin-Radowsky. Denn nur mit so einer Aufstellung könne die Polizei überhaupt tätig werden. „Wenn gewünscht, begleiten wir die Opfer auch zur Polizei.“ Schließlich hätten viele noch nie Kontakt mit der Polizei gehabt, fühlten sich hilflos. „Da halten wir dann symbolisch die Hand.“

Yassin-Radowsky würde sich für ihren Verein noch mehr Bekanntheit wünschen. Zwar ist der Weiße Ring mit Infoständen auf Veranstaltungen präsentiert, verteilt Werbeflyer. „Doch die meisten gehen vorbei und sagen sich: Das betrifft mich nicht, mir passiert schon nichts.“

Die Mehrzahl der Menschen bleibt zwar wirklich von Straftaten verschont, Erlangen zum Beispiel gilt als zweitfriedlichste Stadt Bayerns. Kriminalität gibt es hier trotzdem, genauso wie im Landkreis. „Schlägereien in Diskotheken etwa geschehen überall.“

Damit Straftaten überhaupt nicht erst passieren, widmet sich der Weiße Ring auch der Prävention: Schulen bietet der Verein einen speziellen Film mit dem Titel „Seelennarben“ an, in dem Themen wie sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen, häusliche Gewalt und Vergewaltigungen nach der Gabe von K.o.-Tropfen behandelt werden.

Wer die Unterstützung des Weißen Rings braucht, nach intensiven Schulungen selbst mitarbeiten oder für seine Schüler die DVD „Seelennarben“ bestellen möchte, wendet sich unter der Telefonnummer (09195) 7999 an den Verein.

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