Höhenflug der Narren: Faschingsspektakel in Veitshöchheim

Elke Graßer-Reitzner

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15.2.2020, 11:23 Uhr
Volles Haus in den Mainfrankensälen: Matthias Walz als Wirtshausmusikant begeisterte als einer von vielen Karnevalisten die Zuschauer.

© Günter Distler Volles Haus in den Mainfrankensälen: Matthias Walz als Wirtshausmusikant begeisterte als einer von vielen Karnevalisten die Zuschauer.

Um die Narren muss man sich allmählich Sorgen machen. Sind sie vielleicht bald überflüssig? Die Politik ist in diesen Tagen zum Weinen, mancher Politiker zum Lachen, und für Gags sorgen inzwischen selbst Päpste. Bei der Prunksitzung "Fastnacht in Franken", die das Bayerische Fernsehen am Freitagabend zum 33. Mal live übertragen hat, hat sich das hinterlistige Narrenvolk jedoch famos geschlagen, ganz aktuelle Sprüche geklopft und unter Beweis gestellt: Es kann gar nichts schaden, wenn es uns allen von Zeit zu Zeit den Spiegel vor die Nase hält.

Söder nur mit Fliege in Veitshöchheim

Und wo sonst lassen sich Minister und Ministerinnen, Fraktionsvorsitzende und sogar Bischöfe so bereitwillig durch den Kakao ziehen wie in der Kultsendung aus Veitshöchheim, die höchste Einschaltquoten garantiert? Ministerpräsident Markus Söder (diesmal nur mit gepunkteter Fliege) war wieder Zielscheibe von Hohn und Spott, und auch sein Stellvertreter Hubert Aiwanger musste einen närrischen Shitstorm über sich ergehen lassen.

Die Wahl in Thüringen, die FDP, AKK, die EU, der Kampf gegen den Klimawandel und die Oma als Umweltsau: Auch wenn nicht jede Pointe saß, mancher Spaß eher zweifelhaft war: Die Künstler spießten die Themen der letzten Wochen auf und machten deutlich, was sie von populistischen Tendenzen halten. Martin Rassau und Volker Heißmann von der Comödie Fürth blödelten als Waltraud und Mariechen wieder mit der Prominenz im Saal und verteilten Lose für eine Faschings-Tombola. Die Vertreter der Landtags-AfD allerdings gingen leer aus. Nix zu machen: "Der Rechtsweg ist ausgeschlossen", beschied Mariechen.

66 Jahre Fastnacht-Verband Franken

Der Fastnacht-Verband Franken, der heuer 66. Geburtstag feiert, hat für seine fast vierstündige Jubiläums-Sitzung das bewährte Programm mit Lieblingen der Szene wie Michl Müller oder der Altneihauser Feierwehrkapell'n etwas aufpoliert, an Nummern geschraubt und Newcomer auf die Bühne geholt. Thomas Väth als singender Schmied aus dem Spessart oder die mehrfach ausgezeichnete Tanzsport-Garde "Die Besenbinder" aus Röttenbach im Landkreis Erlangen-Höchstadt erhielten tosenden Applaus

Viva Voce, die stimmgewaltige Pop-Band aus Ansbach, die ein ganzes Orchester ersetzt, spendierte bei ihrem Fastnachts-Einstand ein kurioses Geburtstagsmedley mit den Zahlen 33 und 66, dass die Wände der Mainfrankensäle in Veitshöchheim wackelten. Das Publikum forderte Zugaben von diesem lustigen fünfköpfigen Franken-Export aus ehemaligen Windsbacher Sängerknaben.

Fränkischer Charme mit Melone

Standing Ovations gab es für einen der besten deutschen Büttenredner, der diesmal als englischer Gentleman mit Schirm, unterfränkischem Charme und Melone auftrat: Peter Kuhn von der Schwarzen Elf in Schweinfurt reimte very british: "Die Queen ist schon ziemlich lange dran, bei Merkel fühlt sich’s auch so an. Vor allem mischt sich allgemein, die Queen in Politik nicht ein. Das ist bei uns ein alter Brauch! Und Merkel macht das hier jetzt auch. Kann man wohl Markus Söder feiern als eine Art Prinz Charles von Bayern?"

Ganz still wurde es im Saal beim messerscharfen Blick nach Rechts: "Doch wo ich immer mehr erschrecke, das sind die Reden von Björn Höcke. Schließt mal eure Augenlider — und ihr hört die alten Nazis wieder!"

Bauchredner Sebastian Reich servierte am gestrigen Valentinstag nicht nur einen witzigen Dialog mit Nilpferd-Dame Amanda, sondern auch eine grandiose künstlerische Nummer mit Marzipan-Glücksschwein Pig Nic. Ein Glücksmoment am Abend!

Klaus Karl-Kraus aus Erlangen sorgte wieder als Ablass zahlender katholischer Messdiener für Lachsalven. Michl Müller, der "Dreggsagg" aus der Rhön, goss als Schnapsbrenner den Gästen hochprozentigen Unsinn ins Glas und kredenzte dazu seinen Faschings-Song: "Einmal im Jahr bleibt die Welt stehen, und dann ist Fasching." Die Brandstifter von der Altneihauser Feierwehrkapell'n sinnierten in nicht minder geistreichen Strophen über die Bedeutung der Oberpfalz: "Ganz unten in der Hierarchie kommt die fränkische Prärie, dann folgt mit ihren Gülleweihern die Sauzucht-Tundra Niederbayern. Die Oberpfalz liegt nebenan, da fängt der Mensch in Bayern an."

Exotische Schlussnummer

Das optisches Highlight lieferten zu später Stunde Rassau und Heißmann als Päpste. Südamerikanisches Flair gab’s dann in der Schlussnummer, als alle Künstler in exotischen Kostümen den Karneval in Rio feierten. Da tanzten dann auch Beethoven 1 (Grünen-Landtagsfraktionschef Ludwig Hartmann) und Beethoven 2 (der frühere Ministerpräsident Günther Beckstein aus Nürnberg) mit.

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