ICE-Werk

ICE-Werk in Nürnberg: Was bedeutet Söders "Bauchgrimmen" für Mega-Projekt?

Arno Stoffels

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11.06.2021, 05:25 Uhr
Im Raum Nürnberg soll bis 2028 ein neues ICE-Werk entstehen.

© Deutsche Bahn AG/Oliver Lang Im Raum Nürnberg soll bis 2028 ein neues ICE-Werk entstehen.

Für die Ankündigung großer Vorhaben werden in der Regel auch große Worte verwendet. So war es auch am 5. Oktober 2020, als die Deutsche Bahn im Nürnberger DB-Museum verkündete, ein neues ICE-Werk in der Metropolregion bauen zu wollen.

400 Millionen Euro sollen investiert werden, 450 neue Arbeitsplätze entstehen, Fertigstellung bis 2028. Dadurch werde Nürnberg "zu einer Herzkammer für den Klimaschutz und die Verkehrswende“, so der DB-Personenverkehrsvorstand Berthold Huber.

Und Bayerns Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) erklärte, dass bei dem Projekt "Ökologie und Ökonomie“ zusammengebracht würden. Wenn Bäume für den Bau fallen müssten, würden im Gegenzug 300 Hektar Staatswald aus der Bewirtschaftung genommen und somit in Naturwald umgewandelt.

Umgehender Protest

Als dann aber der Nürnberger Stadtteil Altenfurt ins Spiel gebracht wurde und die Rodung von bis zu 46 Hektar Reichswald im Raum stand, begannen die Proteste, die in den letzten Monaten an Schärfe zugenommen haben.

Beim NN-Polittalk äußerste sich nun auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) skeptisch. Er sei sich "relativ sicher“, dass das neue Werk nicht am geplanten Standort in Fischbach entstehen werde.

"Großes Bauchgrimmen"

Söder äußerte zudem "großes Bauchgrimmen mit dem Standort", es werde sich ein besserer finden.

Insgesamt sind derzeit neun mögliche Standorte für das ICE-Werk im Gespräch, neben Altenfurt/Fischbach stehen auch das Muna-Gelände in Feucht, ein Bereich südlich davon sowie Flächen Allersberg, Raitersaich, Müncherlbach, Heilsbronn, Mimberg und Ezelsdorf in der engeren Auswahl.

Werner Miegl, Vorsitzender des Bürgervereins Südost, spricht von einem "guten Signal“, das Söder gegeben habe. Dennoch bleibt er skeptisch.

"Das war keine absolute Absage“ und es sei nun auch die Frage, was der Ministerpräsident jetzt eigentlich den Menschen an den übrigen Standorten erzähle, wo sich ebenfalls bereits Widerstand formiert hat.

"Den Schampus werden wir noch nicht entkorken“, so Miegl. Das passiere erst dann, wenn der Standort Altenfurt im Rahmen des Raumordnungsverfahrens herausfalle oder zuvor von der Bahn zurückgezogen wird. „Das sind die zwei Möglichkeiten“.

Tom Konopka vom Bund Naturschutz (BN) Mittelfranken freut sich offen, "dass Altenfurt möglicherweise raus ist.“ Dafür seien die Bürgerinnen und Bürger "unheimlich auf die Barrikaden gegangen und haben sich vor den Wald gestellt.“

Alternativen suchen

Auch der BN werde aber in jedem Fall „dranbleiben“ und das nicht nur in Altenfurt. Konopka unterstrich, dass aus Sicht des BN auch das Muna-Gelände in Feucht ungeeignet für den Bau einer rund 450 Meter langen Halle mit umfangreichen Außenanlagen sei.

Einen Eingriff in bestehendes Waldgebiet für die Umsetzung des Projekts sei nicht akzeptabel. Stattdessen solle die Bahn sich auf der Suche nach Alternativen machen.

Konkret nannte Konopka beispielsweise ein Gelände auf dem Maxhüttenareal in Sulzbach-Rosenberg.

Das allerdings widerspricht den Maßgaben der Bahn. Das neue Werk soll maximal 25 Minuten Fahrzeit vom Nürnberger Hauptbahnhof entfernt liegen, zudem müssen auf den Gleisen vom Werk zum Hauptbahnhof auch genug Kapazitäten frei sein, damit die 25 ICE täglich in die Wartung beziehungsweise von dort zurück in den Betrieb gefahren werden können.

Rund acht der extralangen ICE 4 müssen nach Angaben der Bahn zur so genannten Hauptverkehrszeit am Morgen und frühen Abend zulaufen beziehungsweise wieder in den Betrieb gebracht werden, in der auf den Gleisen ohnehin kaum noch Kapazitäten frei sind.

OB: Söders Äußerungen positiv

Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König (CSU) erklärte, dass auch er den Standort in Altenfurt für ungeeignet halte. "Ein Ja zum ICE-Werk, aber mein Bauchgefühl sagt, da wird es nicht hinkommen“, so König.

Deshalb sei die Äußerung Söders „absolut positiv“ gewesen, auch er stehe an der Seite der Bürger Altenfurts und halte einen Eingriff in die dortige Natur für unverträglich. Das sei auch das Signal, "das wir an die Bahn senden“, so König.

Eine Alternative ist in seinen Augen nach wie vor die aufgelassene frühere Munitionsanstalt (MUNA) in Feucht. Das Gelände sei zwar mit Bannwald bewachsen, der Boden aber verseucht. Mit dem Bau eines ICE-Werks würde sich die Chance zur Sanierung ergeben, so König.

Matthias Birkmann, Geschäftstellenleiter der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) in Nürnberg, war nach eigenen Angaben "überrascht“ von Söders Äußerung. Zumal eine Überprüfung durch die Bahn und ein Raumordnungsverfahren durch die Regierung von Mittelfranken noch ausstehen würden.

Und die DB selber? Ein Sprecher erklärt, dass der Standort Altenfurt/Fischbach einer von neun Flächen für das ICE-Werk ist, die grundsätzlich für ein Raumordnungsverfahren infrage kommen. "Alle neun potenziellen Standorte werden nun anhand festgelegter, objektiver Kriterien tiefergehend untersucht und bewertet.“

Diese Untersuchungen, unter anderem zu Schall- und Naturschutz sowie logistischer Anbindung, laufen noch bis Oktober 2021. "Eine Festlegung auf einen Standort für das neue Werk gibt es daher bislang nicht.“

Erst mit "Abschluss der Untersuchungen wird sich herausstellen, wie viele und welche dieser neun Standorte letztlich in das Raumordnungsverfahren eingebracht werden.“

Eine "frühzeitige und transparente Information der Öffentlichkeit“ über die Zwischenstände des Prozesses und das weitere Vorgehen sei der DB wichtig, weshalb zum 1. Juni auch digitale Bürgerdialoge gestartet wurden. Der nächste findet am 14. Juni statt – für den Standort Altenfurt/Fischbach.

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10 Kommentare

Korrekturleser

Zur Maxhütte mal eben bei Google Maps nachgeschaut: Das Gelände ist ca. 1,4 km lang und 200 m breit, also 28.000 m² = 28 ha, benötigt werden lt. https://www.ice-werk-nuernberg.de/ aber 35 bis 45 ha. Entfernung 58 km auf der Bahn Nürnberg Hbf zur Maxhütte, elektifiziert nur bis Hartmannshof, also fehlen noch über 20 km Oberleitung.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Bahnstrecke_N%C3%BCrnberg%E2%80%93Irrenlohe

Warum geht man auf solche Ideen wie die von Hrn. Konopka überhaupt ein?

Stiefel,
das Gelänge mag rechnerisch groß genug sein aber die Form ist nicht geeignet weil sie am südlichen Ende zu schmal ist.

Stiefel

@jochen_nbg
Da gibt es nichts groß zu belegen. Alleine das Geländer bei der neuen Uni waren insgesamt ca. 100ha.

Des Weiteren sagt dies auch Herr Burmeister der Projekleiter der DB selbst.

jochen_nbg

@Stiefel
Sie sind sicherlich in der Lage, Ihre Behauptung "Die Bahn hat geeignete Flächen verkauft" konkret zu belegen. Auch die Behauptung, dass der Bannwald MEHRFACH geschützt ist.

Es wird hier, egal wohin Sie das ICE Werk bauen, Verlierer geben, Ich kenne aus der Ecke Fischbach / Altenfurt viele Grünensympathisanten, die als Anwohner gegen das ICE Werk sind. Nach dem Motto: Sollen doch andere die Lasten tragen. Wenn wir so weitermachen bekommen wir irgendwann gar nichts mehr gebacken, will sagen umgesetzt. Traurig.
no print

PT

Es sollte ein Standort gefunden werden, der möglichst umweltverträglich ist, das ist klar. Es muss aber ebenfalls klar sein, dass der mit diesem Neubau zwangsweise einhergehende Eingriff in die Natur dieser langfristig deutlich mehr nutzt, als er ihr schadet. Schließlich sollen dadurch unter anderem PKW-Fahrten und Kurzstreckenflüge auf die Schiene verlagert werden.
Wenn man sich jedoch ansieht, was in den letzten Jahren (vergleichsweise lautlos) im Nürnberger Südosten an Grünfläche für den Autobahnausbau draufging und wie erbittert jetzt überall gegen das ICE-Werk gekämpft wird, bekommt man zumindest eine Ahnung, wie der Hase läuft.

barnomat

Wie kann ein Herr Tom Konopka angeblich pro Naturschutz sein, wenn er einen Standort, fast eine Stunde entfernt vom Nürnberger HBF vorschlägt? Ganz abgesehen, dass er wohl nicht oft mit der Bahn fährt. Sonst wüsste er, dass es dort keine Oberleitung gibt und die ICEs mit Diesellloks gezogen werden müssten. Söders Bauchgrummeln ist wohl dem Wahljahr geschudelt. Allerdings haben Stadt- und Landesfürsten bei Bahnprojekten relativ wenig zu sagen.