"Ich würde verrückt werden": Christkindlesmarkt-Chefin mag keine Weihnachtsdeko im Büro
18.12.2020, 12:35 UhrAndere haben ein Büro, Christine Beeck hat ein ganzes Gebäude. „Es wurde so geplant, wie ich es haben wollte“, sagt die Marktamtsleiterin und meint damit: die bodentiefen Fenster lassen viel Licht hinein, in jedem Raum ist die Akustik hervorragend, es gibt ein Regenrückhaltebecken und „keinerlei Luxus“. Der Blick geht hinaus auf die Weite des Großmarkts an der Leyher Straße, auf niedrige Gebäude, breite Wege und Raben, die an Grasbüscheln rupfen.
Vor fünf Jahren übernahm Beeck die Leitung des Marktamts und der Landwirtschaftsbehörde. Ein Posten im Scheinwerferlicht. Bei der Chefin und Organisatorin des Nürnberger Christkindlesmarkts zieht Weihnachten in den Arbeitsalltag ein, und zwar die riesige, herzergreifende, berühmte Variante mit einer Tradition, die Weltkriege überdauerte und mit dem einen Christkind, dem einen Prolog und mehr als zwei Millionen Besuchern. Dass die Absage im Oktober des Corona-Jahres 2020 Schlagzeilen in der ganzen Bundesrepublik machte, war da klar.
"Deko macht mich wahnsinnig"
„Die Entscheidung tut mir in der Seele weh“, betont Beeck. Nun läuft die Rückabwicklung, nun ist der Christkindlesmarkt völlig frei von glitzrigem Weihnachtszauber. Nun passt das Büro von Christine Beeck perfekt. „Deko würde mich wahnsinnig machen. Wenn ich auf dem Tisch Freiheit habe, habe ich auch Freiheit im Kopf.“
Das Büro mit seinem schlichten, großen Schreibtisch entspricht auf den ersten Blick völlig der 61-Jährigen, so vernünftig, so selbstbewusst und unaufgeregt. Das neue Domizil war bei seiner Übergabe im Jahr 2016 auch ein Signal gewesen: „Hier entsteht etwas Neues“, erklärt Beeck, sie wollte nicht in der maroden Dienststelle ihres bärig wirkenden Vorgängers sitzen.
Persönlichkeit und Tradition
Traditionen und gefühlvolle Persönlichkeit offenbaren sich in Details. Da sind die schwarzen Sessel vor dem Schreibtisch: Einst standen sie im Stadtrat und sollten entsorgt werden, Beeck sicherte sich zwei und ließ sie neu polstern. An der Wand steht ein Fahrrad von Nürnbergs Traditionsmarke „Hercules“, ein mehr als zwei Jahrzehnte altes Modell. Der Oldtimer wurde von einem Händler zu einem E-Bike veredelt. Hinter Beecks Rücken verbirgt sich ein Ventilator der Edelmarke „Dyson“. Auf ihrem Tisch liegen ein Ipad, ein DinA4-großes, schwarzes Notizbuch und eine Schreibunterlage mit bunter Weltkarte, wie man sie oft in Jugendzimmern sieht.
Ein Schneemann für 80 Pfennig
Welches Erlebnis sie mit dem Christindlesmarkt verbinde? "Moment", sagt Christine Beeck, und scrollt in ihrem Handy. Das habe eine Zeitung schon mal gefragt und sie hat den Artikel fotografiert und aufgehoben: Als Siebenjährige habe sie im „Städtlein aus Holz und Tuch“ eine Kerze in Form eines Schneemanns gekauft, 80 Pfennig habe die gekostet, ein Weihnachtsgeschenk für ihre Mutter. Vor Jahren, erinnert sie sich, habe sie die Wohnung ihrer Mutter nach deren Tod ausgeräumt, da habe sie den Schneemann wiedergefunden, er war noch fast ganz, als sei er nur einmal angezündet worden.
Beeck erzählt weiter, von der katholischen Mädchenschule Maria Ward, vom Vater, der der schüchternen Abiturientin riet, zur Stadt zu gehen, dort sei der Arbeitsplatz sicher und man habe viele Möglichkeiten. Beeck nahm die Treppen auf der Karriereleiter, die Sachbearbeiterin stieg auf zur Verwaltungsdirektorin, zur persönlichen Mitarbeiterin des Baureferenten, und nun sitzt sie hier, als Dienststellenleiterin, und erzählt ganz offen auch von Krankheiten und schweren Zeiten im Leben. „Ich brauche Freiheit im Kopf“, hatte Christine Beeck gesagt. Ganz offenbar hat sie sie gefunden.
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