Immer mehr gleichgeschlechtliche Paare fordern kirchlichen Segen
16.10.2020, 10:28 UhrAuf dem Papier ist es ganz einfach: Gleichgeschlechtliche Partnerschaften sind in der katholischen Kirche nichts für den Traualtar. Selbst Segnungen schwuler und lesbischer Paare sind verboten. Doch diese absolute Haltung lässt sich immer schwerer durchhalten – selbst für die katholische Kirche. Gläubige Homosexuelle fordern schon lange die Möglichkeit einer kirchlichen Trauung und damit die offizielle Anerkennung dessen, was es im Verborgenen längst gibt.
„Aus heutiger Sicht kann man sagen, dass es solche Feiern eigentlich schon lange Zeit und im Grunde überall gibt“, sagt Thomas Pöschl, Vorstandsmitglied der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) in Nürnberg. Er selbst und sein Partner seien schon vor 17 Jahren in einem katholischen Gottesdienst gesegnet worden.
"Die Menschen brauchen jetzt eine Lösung"
Wie viele dieser heimlichen Segnungen es pro Jahr in etwa gibt, ist naturgemäß nicht erfasst. Noch in diesem Monat soll aber ein Buch auf den Markt kommen, das eine gewisse Bestandsaufnahme bieten will. „Paare.Riten.Kirche“ heißt es. Der Untertitel: „Wenn eine katholische Trauung nicht möglich ist: liturgische Beispiele gesammelt und kommentiert“. Dass sich alles im Verborgenen abspielen müsse, sei weder wünschenswert noch zeitgemäß. „Die Menschen, die es sich wünschen und zur katholischen Kirche kommen, brauchen jetzt eine Lösung“, betont Pöschl. „Die Kirche kann denen nicht sagen: Kommt in 70 Jahren wieder.“
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Wie kompliziert die Sache derzeit immer noch ist, musste unlängst Schlagerstar Patrick Lindner feststellen, der sich in der vergangenen Woche den Unmut konservativer Katholiken zuzog. Ihnen missfiel, dass Lindner und sein langjähriger Lebensgefährte ihre Eheringe nach ihrer standesamtlichen Trauung von dem liberalen Priester Rainer Maria Schießler in einem katholischen Gottesdienst im Münchner Glockenbachviertel segnen ließen.
„Man hat nichts gemacht, was nicht erlaubt ist. Ich würde nie eine rote Linie überschreiten“, sagt Schießler. Er habe die Ringe gesegnet und auch „ein Segensgebet über die ganze Gemeinde gesprochen. Das kriegen sie bei mir und das kriegen sie auch beim Papst, der gesagt hat: Jeder, der zu mir kommt, wird gesegnet“.
Die Menschen begleiten, nicht über sie richten
Es erfülle ihn nach wie vor mit „Erschrecken, mit welch' einer Härte manche Leute urteilen“. Schwule und lesbische Katholiken hätten es nicht leicht. „Was das für ein schwieriger Weg ist, den diese Menschen gehen“, sagt Schießler. „Die wollen nur ein gutes Wort.“ Und es sei die Aufgabe der Kirche, diesem Wunsch nachzukommen: „Wir haben einen Auftrag. Und das ist, Menschen zu begleiten und nicht, über sie zu richten.“
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Dorothea Schmidt von der konservativen Bewegung „Maria 1.0“ sieht die Segnung der Ringe anders: „Wenn ein Pfarrer den Ring zwischen zwei Männern segnet, dann begibt er sich auf die Symbolebene: Er benutzt das Ehe-Symbol für eine Nicht-Ehe und erweckt damit den Anschein: Aha, der Pfarrer hat die „Ehe“ der beiden besiegelt. Das sollte er nicht tun“, sagt sie. „Auch ein Pfarrer darf sich nicht über die Vorgaben den Alten Testamentes und der Lehre der Kirche insgesamt hinwegsetzen.“
Das Erzbistum München und Freising gab nach Medienberichten über den Gottesdienst an, zu prüfen, in welcher Form genau diese Segnung abgelaufen sei. Denn das Wie ist durchaus entscheidend: Die Segnung homosexueller Partnerschaften ist bei den Katholiken – im Gegensatz zu den meisten evangelischen Landeskirchen in Deutschland - untersagt. Gegenstände können aber durchaus gesegnet werden.
"Sogar Skilifte können gesegnet werden"
Das Benediktionale, ein liturgisches Buch, das sich mit Segnungen befasst, listet verschiedene auf. „Sogar Skilifte können gesegnet werden, habe ich gelesen“, sagt Pöschl. Seine Arbeitsgruppe hofft nun auf den Reformprozess in der katholischen Kirche in Deutschland, den Synodalen Weg. Dort befasst sich eine „Synodalforum“ genannte Arbeitsgruppe mit dem Titel „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“ mit dem Thema. „Es gilt, jede einzelne Lebenssituation zu begleiten, gut zu unterscheiden und in die Gemeinschaft der Kirche zu integrieren“, teilt die Deutsche Bischofskonferenz dazu mit.
„Ob dies auch eine Segnung von Partnerschaften bedeuten kann, die bisher nicht vorgesehen ist, ist Bestandteil der Beratungen.“ Der Segen sei „das, was wir wollen und was jetzt auch dringend ist. Aber ob das gelingt, steht natürlich in den Sternen“, sagt Pöschl. Die Dringlichkeit sieht auch Schießler: „Wir müssen raus aus der Grauzone. Wir brauchen etwas Verbindliches.“
Hoffnung machen Pöschl aber jüngere Aussagen deutscher Bischöfe wie des Osnabrücker Bischofs Franz-Josef Bode, der in einem Interview der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ Anfang 2018 sagte: „Man kann zum Beispiel über eine Segnung nachdenken – die nicht zu verwechseln ist mit einer Trauung.“ Die Kirche müsse gleichgeschlechtliche Paare differenzierter bewerten. „Ist da nicht so viel Positives, Gutes und Richtiges, dass wir dem gerechter werden müssen?“
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