In Zeiten von Corona: Impfstoff ist Mangelware

Sabine Ebinger

Lokales Nürnberg

E-Mail zur Autorenseite

24.9.2020, 06:00 Uhr
Lieferengpässe sind mittlerweile normal: Impfstoffe gegen Pneumokokken sind immer wieder rar.

© Christin Klose, NN Lieferengpässe sind mittlerweile normal: Impfstoffe gegen Pneumokokken sind immer wieder rar.

Die Corona-Pandemie hat den 76-jährigen Robert Wolf (Name geändert) wachsam gemacht. Empfehlenswert für chronisch Kranke und Ältere ist — neben der Grippe-Impfung — auch die Impfung gegen Pneumokokken: Dies schützt zwar nicht vor einer Infektion mit dem Coronavirus. Jedoch kann so eventuell verhindert werden, dass eine Covid-19-Erkrankung durch eine bakterielle Lungenentzündung oder Grippe einen gefährlicheren Verlauf nimmt.
„In der Zeitung habe ich gelesen, dass der Impfstoff knapp wird“, berichtet Robert Wolf. Der 76-Jährige und seine 77-Jährige Frau, beide sind privat versichert, wurden von ihrer Hausärztin zunächst vertröstet. Nach einigen Wochen Wartezeit kam dann der Anruf aus der Praxis: Eine Apotheke in der Nachbarschaft habe Nachschub bekommen. Das Paar bekam ein Rezept und konnte sich in der Apotheke den Impfstoff holen.

Pneumokokken sind Bakterien und werden etwa beim Husten oder Niesen übertragen. Sie können Lungenentzündungen, Blutvergiftungen oder Hirnhautentzündungen auslösen. Laut Robert Koch-Institut (RKI) sterben schätzungsweise in Deutschland jährlich über 5000 Menschen an einer Pneumokokken-Erkrankung.

Die Erfahrungen des Ehepaars Wolf seien kein Einzelfall, wie Margit Schlenk, Sprecherin der Nürnberger Apotheker, berichtet. „Die Lage ist hier desaströs, wir werden nur tröpfchenweise vom Großhändler beliefert“, sagt die Apothekerin. Nach Bedarf bestellen? Davon könne sie nur träumen. In den vergangenen Jahren habe sie ständig mit Lieferengpässen beim Pneumokokken-Impfstoff zu kämpfen gehabt: Durch die Pandemie habe sich die Situation weiter verschärft.

"Nicht kalkulierbar"

„Es ist unplanbar und nicht kalkulierbar“, berichtet die Apothekerin. „Wir haben jetzt Wartelisten eingeführt: Sobald wieder Impfstoff verfügbar ist, benachrichtigen wir unsere Patienten.“ Es sei frustrierend, ständig mit Engpässen kämpfen zu müssen: „Das frisst unglaublich viele Ressourcen.“ Ihre Taktik: „Ich bestelle immer wieder nach, um meine Chancen auf eine Lieferung zu erhöhen.“


Ganz so dramatisch erlebt Veit Wambach, Allgemeinarzt und Chef des Praxisnetzwerkes Nürnberg-Nord, die Situation derzeit nicht. „Das ändert sich immer wieder. In den vergangenen Tagen habe ich keine Probleme gehabt, Nachschub zu bekommen.“ Gesetzlich Versicherte werden gleich in der Praxis geimpft. Patienten mit einer privaten Krankenversicherung erhalten ein Rezept und müssen sich den Impfstoff in der Apotheke besorgen, um dann später vom Arzt geimpft werden zu können. Doch auch er bemerkt immer wieder, dass es sich hier um ein begehrtes Gut handelt: „Einmal habe ich einen sehr exotisch anmutenden Pneumokokken-Impfstoff mit ausschließlich asiatischen Schriftzeichen erhalten: Da habe ich dann einen Beipackzettel auf deutsch nachgeordert.“ Auch beim Grippe-Impfstoff hat Wambach zur Sicherheit mehr Nachschub bestellt - doch hier zeichne sich noch kein Mangel ab.

Nachfrage steigt

Lieferengpässe bei der Pneumokokken-Impfung kennt auch Hausarzt Michael Bangemann, der zudem der Vorsitzende des Praxisnetzwerkes Nürnberg Süd ist: Bereits im vergangenen Jahr habe er Nachschubprobleme gehabt, deshalb habe er wegen Corona im Frühjahr nachgeordert. Bangemann stellt fest: „Wir haben tatsächlich mehr Nachfrage nach Grippe- und Pneumokokkenimpfungen — auch von Personen, die sich in den letzten Jahren nicht haben impfen lassen.“
Grundsätzlich spricht sich die Ständige Impfkommission (STIKO) für eine Pneumokokken-Impfung für Menschen ab 60 Jahren aus. Wegen der aktuellen Lieferengpässe empfiehlt die STIKO jedoch nun eine altersbedingte Impfung erst ab 70 Jahren.


Besorgt zeigt sich auch Klaus Reinhardt von der Bundesärztekammer. Die Corona-Pandemie habe Lieferengpässe für einige Arzneimittel und Impfstoffe verschärft, wie die Deutsche Presse-Agenur (dpa) kürzlich berichtete. Die Herstellung von Wirkstoffen und Arzneimitteln ist, so die dpa, spezialisiert und globalisiert, aus Kostengründen wird immer mehr etwa in China oder in Indien produziert — und dies wird nun zum Problem. So sagte Ärztepräsident Reinhardt: „Die Lieferengpässe bei Impfstoffen beunruhigen mich sehr.“

Verwandte Themen


4 Kommentare