Islamunterricht: Wahlpflichtfach sorgt auch in Franken für Kritik
20.4.2021, 06:00 UhrDas neue Fach ist nämlich kein Religionsunterricht wie ihn die großen christlichen Kirchen erteilen können, sondern eine Art neutraler Ethikunterricht mit dem Schwerpunkt Islamkunde. Für einen bekenntnisorientierten Unterricht fehlt dem zur Neutralität verpflichteten Staat auf islamischer Seite eine anerkannte Religionsgemeinschaft. Den schreibt das Grundgesetz aber vor.
Nach Ansicht aller sieben muslimischen Dachverbände in Bayern sind die Voraussetzungen für einen vollwertigen islamischen Religionsunterricht allerdings längst gegeben. Das Kultusministerium „verweigert“ die konstruktive Zusammenarbeit, wie es in einer gemeinsamen Stellungnahme heißt.
Es lägen zahlreiche Rechtsgutachten vor, nach denen sehr wohl Grundlagen für die Zusammenarbeit im Bereich des Religionsunterrichts vorhanden seien. Die Dachverbände weisen auf „mehrere Anträge“ auf Anerkennung als Religionsgemeinschaft hin. Dann werden sie deutlich.
Zur Mitarbeit bereit
Der geplante Islamkunde-Unterricht „suggeriert Schülerinnen und Schülern sowie Eltern durch den irreführenden Namen, es handle sich um einen islamischen Religionsunterricht“. Schließlich sei man bei der Ausgestaltung der Lehrinhalte nicht eingebunden gewesen. Das neue Fach verschiebe „die verfassungsmäßigen Grenzen zum Nachteil der Muslime“. Ihnen werde dadurch ein ordentlicher Religionsunterricht vorenthalten.
Man sei, so fügen die sieben Verbände in ihrer Erklärung hinzu, aber weiter bereit, daran mitzuwirken, Musliminnen und Muslimen einen Religionsunterricht in Übereinstimmung mit der Verfassung zu ermöglichen.
Massive Einwände erhebt auch Rainer Oechslen, Beauftragter der evangelischen Landeskirche für den interreligiösen Dialog und einer der Vorsitzendende des Islamforums Bayern. Die Mitglieder dieses Forums beschäftigen sich seit vielen Jahren engagiert mit der Frage eines bekenntnisorientierten Religionsunterrichts für die insgesamt rund 160 000 muslimische Schülerinnen und Schüler im Freistaat.
Weitere Schritte verlangt
Nur so könnten diese Kinder und Jugendlichen erfahren, dass sie auch im Hinblick auf ihre Religion ihren christlichen und jüdischen Mitschülern „wirklich gleichgestellt“ sind, schreibt Oechslen an das Kultusministerium zu dem Gesetzentwurf. Der sei ein wichtiger Schritt, „dem weitere Schritt folgen müssen“.
Baden-Württemberg will Burka an Schulen verbieten
Mit Erschrecken habe er zum Beispiel festgestellt, dass die betroffenen Schüler und Eltern gar keinen Anspruch auf Einrichtung des neuen Faches haben. Für Oechslen entstehe der Eindruck, dies sei „dem Gutdünken von Schulleitungen und Schulämtern überlassen“.
Wenig Verständnis habe er zudem dafür, dass das neue Fach in den Jahrgangsstufen 11 bis 13 der Gymnasien und der beruflichen Oberschulen nicht angeboten werden soll. Es könne dazu führen, dass die Schüler, die den neuen Islamischen Unterricht besuchen, gegenüber anderen benachteiligt sind, die einen der Religionsunterrichte oder Ethik besuchen. Die könnten nämlich die Reifeprüfung in diesen Fächern ablegen.
Eine "große Enttäuschung"
Rainer Oechslen vermisst in dem Gesetzentwurf zudem „jeden Hinweis“, dass die Einführung eines konfessionellen islamischen Religionsunterrichts weiter Ziel des Freistaats bleibt. Es sei misslich, wenn bei muslimische Schülern das Gefühl aufkommen, sie hätten nur die Wahl zwischen zwei verschiedenen Spielarten des Faches Ethik.
Immer weniger Schüler erhalten Religionsunterricht
Der eigentliche Sinn der Einführung des neuen Faches bestehe doch gerade in der Klärung der religiösen Identität der Kinder. „Dies müsste auch im Gesetzestext zum Ausdruck kommen“, meint Oechslen.
Eine „große Enttäuschung“ nannte die schwäbische Landtagsabgeordnete Gabriele Triebel (Grüne) – sie ist religionspolitische Sprecherin ihrer Fraktion – den Gesetzentwurf. „Eine echte Gleichstellung der Religionen sieht anders aus“, meint sie.
Werde der Gesetzentwurf von CSU und FW im Landtag unverändert verabschiedet, bleibe muslimischen Schülern ein echter Religionsunterricht vermutlich über Jahrzehnte verwehrt.