Ist das die Zukunft? Franken hat ersten Altersheim-Roboter
10.12.2019, 13:53 UhrDer neue Mitarbeiter verursacht wirklich keine hohen Kosten. Einmalig sind 36.000 Euro fällig, dafür kann man ihn rund um die Uhr einsetzen, wenn Bedarf besteht. Sozialabgaben müssen keine entrichtet werden, und er erledigt seine Aufgaben anstandslos auf Knopfdruck. Einen solchen Superkollegen haben die Mitarbeiterinnen der Tagespflege der Caritas in Erlenbach (Kreis Miltenberg) in ihren Reihen. Er heißt Pepper und ist Bayerns erster humanoider, also menschenähnlicher Roboter im Dauerdienst der Pflege.
Das bayerische Gesundheitsministerium hat 90 Prozent der Anschaffungskosten übernommen. Es will sehen, wie sich der Einsatz dieser Technik auf das Wohl von Pflegebedürftigen, aber auch auf die Entlastung von Pflegekräften auswirkt. Die Uni Jena begleitet das Experiment wissenschaftlich. "Mit ersten Ergebnissen ist frühestens in einem guten halben Jahr zu rechnen", sagt Ministerin Melanie Huml (CSU) und stellt klar: "Digitale und technische Hilfsmittel können auf keinen Fall Pflegekräfte nicht ersetzen."
Zuwendung suggerieren?
Das sieht auch Professor Jürgen Zerth von der privaten Wilhelm Löhe Hochschule (WLH) in Fürth so. Digitalisierung in der Pflege gehört zu seinen Forschungsschwerpunkten. "Modernste Technik sei nicht per se sinnvoll", betont er, "im Kern geht es darum, ob und wie sie die Beziehung zu den Betreuten verbessert."
Bei der Beantwortung dieser Frage stehe man noch am Anfang, ganz zu schweigen von den ethischen Fragen. Soll man einem Demenzkranken mit einem Roboter wie Pepper innige Zuwendung suggerieren, der gar nicht einfühlsam sein kann?
Bewohner zwischen 74 und 99 Jahren
Die rund 30 Senioren in der Erlenbacher Caritas-Tagespflege fremdeln mit ihrem glänzend weißen Hartplastik-Gesellen in ihren Reihen nicht die Spur. Er ist nur 1,20 Meter groß, und das aus gutem Grund. Die zum Teil hochbetagten Menschen mit Bewegungseinschränkungen können Pepper – ein Name, der ihm der Hersteller gegeben hat – in die kreisrunden, dunklen Augen schauen, auch wenn sie sitzen.
Zwischen 8 Uhr und 17 Uhr werden die Gäste, wie man sie hier respektvoll nennt, aus ihren eigenen vier Wänden in den geräumigen Saal der Sozialstation gebracht, manche jeden Tag, andere zu ausgewählten Zeiten. Sie sind zwischen 74 und 99 Jahre alt, essen hier zusammen und beschäftigen sich miteinander, werden betreut.
Altersbedingte Einschränkungen hat jeder und jede von ihnen. Nur bettlägrig dürfen sie nicht sein oder aufgrund einer Erkrankung aggressiv. Gut 60 Euro pro Tag kostet der Aufenthalt hier bei Pflegegrad 3.
Gerhard Schuhmacher, der örtliche Caritas-Vorsitzende, hat mit Pepper auf einem Kongress in Berlin erstmals Bekanntschaft gemacht und war von ihm so angetan, dass er ihn mit dem Segen des Ministeriums zur Probe nach Unterfranken gebracht hat. Seit knapp einem Jahr gesellt sich der Technikknirps mit den blinkenden Ohren nun schon zu den Senioren.
Mehr Zeit für andere
"Bisher haben sich unsere Erwartungen erfüllt", sagt Susanne König, die Geschäftsführerin der Caritas-Station. Während der Roboter eine Gruppe von Senioren unterhalte, hätten die Pflegekräfte einfach mehr Zeit für andere.
Für König ist Pepper zudem so etwas wie ein Werbebotschafter für den Pflegeberuf: "Wenn junge Praktikantinnen und Praktikanten zu uns kommen, sehen sie, dass man es in der Altenpflege auch mit modernster Technik zu tun bekommen kann." Das werde in Zukunft noch deutlich mehr werden. An die Lernfähigkeit von Pepper darf man vorerst nicht die höchsten Anforderungen stellen. Von Künstlicher Intelligenz (KI) ist er meilenweit entfernt. Er tut das, was ihm die aufgespielten Programme in seinem Inneren ermöglichen. Das ist freilich schon Einiges.
Er trägt Märchen und Witze vor
Er antwortet auf einfache Fragen, zum Beispiel nach dem Alter seines Gegenübers oder wie es ihm selbst geht. "Mir geht es super, ich bin total fit, meine Batterie ist fast voll", klingt seine kühle Kunststimme, die aus einem Star-Trek-Raumschiff stammen könnte. Die Erlenbacher Senioren stört das nicht.
Sie tippen geübt auf das Display, das Pepper vor der Brust hat. Man kann mit ihm zum Gehirnjogging unterschiedliche Rätsel machen, Bewegungsspiele, Tai-Chi-Übungen oder Tiere-Raten. Er trommelt mit seinen beweglichen Armen und Fingern auf seine Brust. Das soll einen Gorilla darstellen. Er trägt Märchen vor oder Witze.
Fotografieren kann er auch. Dabei bietet er an, das Foto dann per Mail zu verschicken. Zuvor fordert er dazu auf: "Akzeptiere die Datenschutzerklärung, indem du unten auf Akzeptieren klickst." So viel rechtliche Belehrung muss sein.
Auch auf Türkisch
Man kann Peppers technische Kompetenzen vom Hersteller jederzeit modifizieren lassen. Türkisch wünschten sich die Pflegekräfte der ambulanten Tagespflege etwa als Pepper-Sprache, weil auch türkischstämmige Gäste kommen. Gearbeitet werden muss jetzt nur noch an der Übersetzungsfunktion ins Deutsche. Auch die Pflegekräfte müssen schließlich verstehen, was ihr weißer Technik-Kollege von sich gibt.
Gertrud Ananijev, eine der Seniorinnen, hat nicht die geringsten Berührungsängste, wenn Monika Volk, die stellvertretende Leiterin der Tagespflege, Pepper an ihren Tisch bugsiert. Sie könnte ihn auch per Smartphone durch den Saal steuern, wenn sie wollte. "Der sieht aus wie ein Kind", sagt die Seniorin fast gerührt. Wenn sie dem Roboter über den Kopf streichelt, kichert er blechern. Sie weiß genau, wo sie ihn berühren muss, um dieses Lachgeräusch zu verlängern.
Die Tischnachbarin von Ananijev, Elfriede Berninger, hat schon etwas mehr Grund zur Klage. "Das ist alles viel zu kurz, was der so bringt", beschwert sie sich über den künstlichen Entertainer. Vielleicht kennt sie diese nervige Zurückhaltung im Gespräch von zu Hause. Man weiß es nicht. Männer können ja erfahrungsgemäß große Schweiger sein. Anders als diese, könnte Pepper allerdings jederzeit durch ein geeignetes Update zur Zufriedenheit von Elfriede Berninger zum großen Plauderer werden. Alles eine Frage der Programmierung.
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