Kannibale im Kopf: Präventionsambulanz hilft psychisch Kranken
27.10.2014, 12:48 UhrMit Schmuddeleien und Gewaltandrohungen im Internet flog K. auf. Die Polizei wurde auf ihn aufmerksam und fand bei einer Wohnungsdurchsuchung drei Filetiermesser und eine Beinprothese. Er bekam vom Gericht einen Warnschuss.
Als K. mit 38 Jahren selbst Angst bekam - Angst davor, dass er seine abartigen Fantasien eines Tages vielleicht doch in die Tat umsetzen könnte - , wandte er sich an die Präventionsambulanz der Ansbacher Forensik und bat um Hilfe. Ambulanz heißt: Der Patient nimmt ein triebdämpfendes Mittel, ist in therapeutischer Behandlung, aber auf freiem Fuß, lebt in seiner Wohnung und geht seiner Arbeit nach.
Würde er sich nicht mehr, wie vereinbart, regelmäßig melden, würden die Mitarbeiter ihn „stalken“, wie sie es nennen, also zu Hause aufsuchen und drängen, wieder zu Therapiegesprächen zu kommen, schildert Oberärztin Martina Weig (52), die Leiterin der Ambulanz.
Seit 2012 und noch bis 2016 läuft das Pilotprojekt, das einzigartig in Europa ist. Die Behandlung in der Präventionsambulanz hat das Ziel, psychisch Kranke mit Risikoprofil davon abzuhalten, Straftaten zu begehen. Gleichzeitig sollen potenzielle Opfer vor Gewalt bewahrt werden. Die 61 Patienten leiden an Erkrankungen aus dem schizophrenen Kreis oder an schweren Persönlichkeitsstörungen.
Bisher fällt die Bilanz der Experten vielversprechend aus. Das gilt vor allem für den Opferschutz, aber auch für die Staatskasse. Denn der durchschnittliche Tagessatz für einen stationär eingewiesenen Patienten beträgt über 200 Euro; die Unterbringungsdauer liegt im Schnitt bei viereinhalb Jahren, in Ansbach bei 3,8.
Was in der Kindheit des Kannibalen K. die grausamen Fantasien ausgelöst hat, weiß niemand. Es kann ein Bild, ein Geruch, eine Filmszene gewesen sein. Fest steht: Ab dem 25. Lebensjahr lässt sich nichts mehr verändern.
K. hatte noch nie eine Freundin, lebt allein. In der Wohnung hat er einen Gummifuß stehen, den er mit Obst und Gemüse garniert, erzählt Psychologe Nikolaos Miserlis (29): „Man muss vor K. aber keine Angst haben.“ Dessen Risiko-Prognose ist durch die Behandlung in der Ambulanz gesunken - von „unbehandelt hoch“ auf „behandelt niedrig“.
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