Schlichtweg kein Platz mehr
Keine Neuaufnahmen im Tierheim Nürnberg: Was jetzt mit Fundtieren passiert
29.8.2023, 17:51 Uhr"Es ist eine Katastrophe", sagt Tierheimleiterin Tanja Schnabel zur aktuellen Situation im Nürnberger Tierheim. So etwas habe sie bislang noch nicht erlebt. Gemeint ist die enorme Flut an Tieren, die von ihren Besitzern abgegeben werden wollen. Der Tierschutzverein Nürnberg-Fürth und Umgebung e. V. betreut aktuell 55 Hunde, 120 Katzen und 250 Kleintiere. Hinzu kommt eine Warteliste, auf der derzeit 36 Hunde stehen, die abgegeben werden, sobald ein Artgenosse vermittelt wurde und ein Platz frei wird.
Das Nürnberger Tierheim hat sein Limit erreicht und einen Aufnahmestopp verhängt. Bei den Hunden besteht der, mit wenigen Unterbrechungen, schon seit rund einem Jahr, bei Katzen und Kleintieren gilt er seit wenigen Wochen ebenfalls. Mit der massiven Überlastung ist das Nürnberger Tierheim bei weitem nicht allein. Gemeinsam mit dem "Bündnis Schattenhund" haben viele deutsche Tierheime auch einen Brandbrief aufgesetzt und eine Petition gestartet. Nürnbergs Tierheimleiterin Tanja Schnabel hat unserer Redaktion erklärt, welche Folgen der Aufnahmestopp konkret hat und warum so viele Tiere abgegeben werden.
"Schlichtweg keinen Platz mehr"
"Wir sind voll und haben schlichtweg keinen Platz mehr, um weitere Tiere aufzunehmen", sagt Schnabel. Doch was passiert jetzt mit einem gefundenen Tier, beziehungsweise wohin sollen sich Menschen in Nürnberg wenden, die ihr Tier abgeben müssen? Nur noch für Fundtiere stehen je Abteilung noch ein bis zwei Boxen zur Verfügung, in denen Tiere kurzfristig untergebracht werden können, bis der Besitzer oder die Besitzerin ausfindig gemacht wurden. "Tiere von privat können wir derzeit nicht aufnehmen. Dafür haben sich in der letzten Zeit zu viele Menschen Tiere zugelegt, ohne darüber nachzudenken".
Und genau da liege laut Schnabel auch das größte Problem: "In den allermeisten Fällen müssen die Tiere ja auch nicht abgegeben werden, sondern sollen rein aus Bequemlichkeit abgeschoben werden", so die Tierheimleiterin merklich erzürnt. Für alle Menschen in wirklichen Notlagen tue es ihr und ihren rund 30 Kolleginnen und Kollegen sehr leid, aber man sei nun mal am Ende der Kapazitäten. Wer sein Tier abgeben muss oder will, müsse es entweder vorübergehend in Pensionen unterbringen oder privat eine Lösung finden, mahnt Schnabel.
4000 Tiere im Jahr
Jährlich landen an die 4.000 Tiere allein im Nürnberger Tierheim. Einer der Hauptgründe, weshalb Menschen ihre Haustiere abgeben möchten, ist eine unüberlegte Anschaffung. Viele haben sich während der Corona-Pandemie ein Tier zugelegt, für das sie inzwischen keine Zeit mehr haben oder nicht bereit sind, diese in die Erziehung und die Pflege des Haustiers zu investieren. Das sorge auch für viele verhaltensauffällige Tiere, die wiederum deutlich schwerer zu vermitteln sind. Hunde, die beispielsweise einen Beißvorfall in ihrer Vergangenheit hatten, müssen intensiv trainiert werden, sitzen lange im Tierheim und die Zahl der Menschen, die solche Hunde verantwortungsbewusst halten können, ist laut Schnabel sehr gering.
Hinzu komme eine enorme Belastung durch illegalen Welpenhandel und unseriöse Auslands "Tierschutz"-Organisationen, denen es nur um den Profit und nicht ums Tierwohl gehe, so Schnabel. Jeden Monat kommen so rund 200.000 Euro Kosten zusammen. Die Sommerferien, die sonst eher die klassische Hochphase für die Tierheime waren, spielen aktuell in Nürnberg nur eine untergeordnete Rolle.
Vermittlungen dringend notwendig
Unterstützen können Tierfreunde das Tierheim auf verschiedenen Wegen, erklärt Schnabel: Tiere nicht unüberlegt anschaffen, auch im Freundeskreis über die Problematiken, also beispielsweise die überlasteten Heime oder den illegalen Tierhandel, aufklären. Als Informationsquelle empfiehlt Schnabel das bereits erwähnte "Bündnis Schattenhund", bei dem auch das Nürnberger Tierheim Mitglied ist.
Alle, die ein Haustier adoptieren wollen und das auch können, bittet Schnabel, ein Tier aus dem Heim zu nehmen. Nur so könne es wieder Platz für neue Tiere in Not geben. Die Auswahl ist schließlich aktuell groß genug – der Durchlauf fehle aber trotzdem.
Eine weitere Möglichkeit sind Sachspenden: Auf der Homepage des Tierheims gibt es zum Beispiel eine Amazonliste, dort muss natürlich nicht gekauft werden, es soll nur aufzeigen, was gerade benötigt wird. Geldspenden, um Energie, Personal und Tierarztkosten zu decken, sind natürlich willkommen, allein mit Sachspenden könne das Tierheim nicht überleben, so Schnabel. Wer vielleicht selbst wenig finanzielle Mittel, dafür aber Zeit zur Verfügung hat, könne auch ehrenamtlich im Tierheim helfen. Gassigeher gebe es derzeit genug, man freue sich aber auch über Unterstützung beim Reinigen der Tierunterkünfte oder bei Veranstaltungen.
Auch auf Facebook postet das Nürnberger Tierheim immer wieder Dinge, die akut benötigt werden. Aktuell ist das zum Beispiel Nassfutter für Katzen, Trockenfutter für Hunde und Kleintiernahrung.
Doch vor allem von der Politik wünscht sich Schnabel konkretes Handeln: Sie fordert unter anderem die Einführung eines sogenannten Hundeführerscheins, also einen Sachkundenachweis zum Halten eines Hundes. Zudem müsse es Nachbesserungen in Sachen illegaler Welpeneinfuhr aus dem Ausland geben. Hier seien deutliche Verschärfungen und das Durchsetzen eines Verbots ein Weg, die Tierheime in ganz Deutschland deutlich zu entlasten.
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