Kommentar: Der "besorgte Bürger"
12.12.2014, 14:43 UhrStimmungsmache gegen Flüchtlinge ist nichts Neues. Brandanschläge auf Asylbewerberheime und Gewalt gegen Immigranten haben in der wiedervereinten Bundesrepublik sogar eine traurige Tradition. Und werden allzu häufig hingenommen oder sogar gutgeheißen von sogenannten "besorgten Bürgern".
Also jenen, die derzeit dafür sorgen, dass von Neonazis beziehungsweise "Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida) organisierte Aufmärsche wachsenden Zulauf haben. Sie verleiten selbst Innenminister Thomas de Maizière zu der Aussage, dass es "unter denjenigen, die da teilnehmen, doch ganz schön viele gibt, die ihre Sorgen vor den Herausforderungen unserer Zeit zum Ausdruck bringen."
Im Umkehrschluss würde das bedeuten: Bewusst oder unbewusst braunes Gedankengut zu unterstützen, ist gerechtfertigt – solange dies in der Annahme geschieht, dass man ja eigentlich nur auf die bundesdeutsche Herausforderung reagieren wolle, mit einer (weltweit) steigenden Zahl an Flüchtlingen fertig zu werden.
Die Zahl der Übergriffe auf Asylbewerberheime steigt, 2014 zählte man schon mehr Vorfälle als in den beiden Vorjahren zusammen. Bislang beschränkten sie sich auf Brandstiftungen, Sachbeschädigungen und rechte Schmierereien. Doch, und das lassen auch vereinzelte Leserkommentare zu den Ereignissen in Vorra erkennen, eine gewisse Hemmschwelle sinkt: Mit NPDlern und Skinheads gegen den Islam zu hetzen, ist (siehe de Maizière) bereits verständlich, Hakenkreuze an Flüchtlingsunterkünfte zu sprühen oder selbige gleich anzuzünden, ist (siehe so mancher Kommentator im Internet) längst kein Grund, Rechtsextremisten pauschal zu verdächtigen – schließlich verfügen auch Linke und Antifaschisten über die motorischen Fähigkeiten, eine Swastika zu malen.
Derlei typische Nazi-Apologetik, dazu hier und da ein kleiner Rechtsruck im politisch-gesellschaftlichen Grundkonsens: dann werden bald nicht nur Sachen beschädigt, sondern Menschen.
Ein Bürgerin von Vorra zeigte sich besorgt über die Vorfälle in ihrer Stadt: "Wir und andere Nachbarn haben uns auf die Ankunft der Asylbewerber gefreut", sagte sie am Freitag. Bleibt zu hoffen, dass andere "besorgte Bürger" in Deutschland ihrem Beispiel folgen.
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