Kommentar: Ein harter Lockdown würde uns schneller helfen
1.12.2020, 18:01 Uhr
So eine triste Vorweihnachtszeit haben wir uns nicht gewünscht. Ausgerechnet Nürnberg, die heimeligste aller Weihnachtsstädte mit einem weltberühmten Christkindlesmarkt und jeder Menge wunderbarer Orte zum Treffen und Genießen, kann ihren Zauber nicht entfalten, weil sie krank ist. Ab heute gelten Ausgangsbeschränkungen, erweiterte Maskenpflicht und ein Alkoholverbot in großen Teilen der Innenstadt.
Bei über 300 neuen Corona-Fällen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche konnte die Stadtspitze nicht mehr länger zusehen.
Denn die Kliniken melden Kapazitätsengpässe, ihre Intensivstationen sind in Kürze voll belegt. Die Zahl der Toten steigt.
Ausgangsbeschränkungen, Schulen und mehr: Das gilt jetzt in Nürnberg
Keine Frage, die neuerlichen Einschränkungen unseres täglichen Lebens sind drastisch. Sie gelten in vielen weiteren Kommunen, auch Schwabach oder Coburg müssen die Reißleine ziehen.
Viele Eltern wissen nun nicht, wie sie den Heimunterricht ihrer Kinder diesmal hinbekommen sollen, weil Urlaubstage längst aufgebraucht und alle Überstunden abgefeiert sind.
Wir leben nicht im Krieg
Die Auflagen bürden uns Lasten auf und verändern unseren Alltag. Aber wir sollten ehrlich sein: Sie sind zumutbar. Weder leben wir im Krieg noch in einer Diktatur und unsere persönlichen Freiheiten sind nicht auf Dauer gedeckelt. Kommunalpolitiker wie Nürnbergs neuer OB Marcus König sind nicht zu beneiden für die Entscheidungen, die sie bei steigenden Fallzahlen zu treffen haben. Der Landrat von Hildburghausen in Thüringen, Deutschlands Corona-Hotspot Nummer eins, steht derzeit unter Polizeischutz, weil er Morddrohungen erhalten hat, nachdem er Schulen schließen ließ und eine Maskenpflicht verhängte. Unfassbar, ging es dem Mann doch nur um eines: Leben zu retten.
Doch Bürgermeister und Landräte haben wenig Spielraum und müssen eine einfache Gleichung beherzigen: Um die Zahl der Neuansteckungen drastisch nach unten zu drücken, bleibt ihnen nur, unsere persönlichen Kontakte einzudämmen. Denn das öffentliche Leben, Schulen und Wirtschaft, sollen großteils aufrecht erhalten werden, so will es die Bundesregierung. Gastronomen und Kulturschaffende haben das Nachsehen. Nur: Wie lange soll das so gehen? Wie viel bringen uns immer neue Teil-Lockdowns wirklich? Und: Wie viel Notfall-Hilfen sind noch nötig, um wirtschaftliche Härten abzufedern?
Die Zahlen stagnieren derzeit auf hohem Niveau, ein Erfolg ist nicht in Sicht. Wissenschaftler wie die Max-Planck-Forschungsgruppenleiterin Viola Priesemann plädieren daher für einen zeitlich überschaubaren harten Lockdown, um zu niedrigen und damit "beherrschbaren" Fallzahlen zu gelangen. Dann könnten wir wieder mehr Freiheiten gewinnen. Statt solche "Wellenbrecher"-Versuche noch über Monate mitmachen zu müssen.
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