Kommentar zum Homeschooling: Error statt Unterricht
11.1.2021, 13:35 UhrAb 8.45 Uhr in Mebis. Das war die Ansage für Gymnasiasten in der Oberpfalz. Das Ergebnis: Eine halbe Stunde Funkstille, im Laufe des Vormittags dann endlich ein Zugang. Dafür ging dann Homeworker, ein Portal für Schüler, zwischenzeitlich in die Knie. Teenager verlieren da schnell die Lust am digitalen Lernen.
An einer Grundschule in Nürnberg sieht es nicht besser aus. Die Lehrerin gab sich sehr viel Mühe, um auf der Plattform Padlet das Wochenprogramm für die Kinder vorzubereiten. Nach einer ersten erfolgreichen Stunde hieß es dann auch hier: Kein Zugang möglich. Der Schultag war dann früher als geplant beendet.
Auch wenn der Wiederstart nach den verlängerten Weihnachtferien mancherorts reibungslos verlaufen ist, kann von einem flächendeckenden geregelten Unterricht in Bayern nicht die Rede sein.
Mal wieder folgten den Ansagen keine überzeugenden Taten. Kultusminister Michael Piazzolo (Freie Wähler) ahnte es wohl schon, als er sich vergangene Woche eine Hintertür offen hielt und keine Zusage für einen problemlosen Mebis-Neustart abgeben wollte. Allzu lange wird Markus Söder (CSU) nicht mehr zusehen und den nächsten Minister abstrafen wollen.
Ob das gelingt, hängt allerdings entscheidend von FW-Chef Hubert Aiwanger ab. Doch es geht um weit mehr als um Personalien im bayerischen Kabinett. Es geht um die Frage, was der Politik Bildung wert ist.
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Die Antwort fällt ernüchternd aus: Wenig. Entgegen all der Sonntagsreden über den Bildungsstandort Deutschland im allgemeinen und Bayern im besonderen sieht der Alltag trist aus. Zehn Monate nachdem das Coronavirus unser Zusammenleben durcheinandergewirbelt hat, kämpfen Schulbürokraten um den Anschluss an die digitale Gegenwart. Wenn sie denn kämpfen. Manchmal drängt sich der Eindruck auf, Schüler, Lehrkräfte und Eltern werden im Regen stehen gelassen.
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Wahrscheinlich wird es in der Rückschau auf die Pandemiezeit als einer der größten politischen Fehler eingestuft werden, die Schulen auch im Januar dicht gemacht zuhaben. Natürlich ist der Schutz des Lebens ein hohes Gut und Ministerpräsident Söder spricht zurecht davon, dass ihm jeder Tote "in der Seele weh" tut. Mit solchen Sätzen lässt Söder auch keinerlei Widerspruch zu. Wer wollte schon Menschenleben riskieren? Und natürlich sind Lehrkräfte einem Risiko ausgesetzt - dies hätte allerdings durch eine Priorisierung beim Impfen leicht gelöst werden können.
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So oder so muss schon heute die Frage der Verhältnismäßigkeit gestellt werden. Ist es in Ordnung, Hunderte, wahrscheinlich Tausende von Bildungsbiografien durch nicht mehr stattfinden Präsenzunterricht kaputt zu machen? Ist es richtig, den ohnehin schon über Gebühr belasteten Familien noch Hobby-Lehrerjobs zuzumuten? Und schließlich: Welche Langzeitfolgen hat das?
Denn es ist beileibe nicht so, dass alle Schüler durchgeschleppt werden. Leistungsselektion findet in Bayern auch in Corona-Zeiten statt. Wie sollen aber Sitzenbleiber, die eine besondere Betreuung benötigen, motiviert werden, am heimischen PC mit mangelhaften Programmen zu arbeiten?
Wer auf den Präsenzunterricht verzichten will und dies als nötige Lockdown-Maßnahme deklariert, der muss für vernünftige Alternativen sorgen. Das ist - mindestens unter dem technischen Blickwinkel - bislang im Freistaat nicht erfolgt. Ein Armutszeugnis im Jahr 2021. Schüler haben derzeit wenig zu lachen, sie sollten zumindest ein Recht auf angemessenen Zugang zu Bildung haben. Und diejenigen, die aus problematischen Familienstrukturen stammen, müssen mehr Unterstützung erhalten. Möglichst bald und möglichst unbürokatisch. Ansonsten klafft die soziale Schere im Bildungsbereich noch weiter auseinander.