Besitzer überfordert

„Können keine Tiere mehr aufnehmen“: Tierheime in der Region überlastet - das steckt dahinter

Johannes Lenz

Nordbayern-Redaktion

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13.8.2024, 06:34 Uhr
In den Tierheimen in Nürnberg und Fürth sind momentan besonders viele Katzen mit Nachwuchs untergebracht (Symbolbild).

© Uwe Anspach/dpa In den Tierheimen in Nürnberg und Fürth sind momentan besonders viele Katzen mit Nachwuchs untergebracht (Symbolbild).

Die Urlaubszeit - für viele Haustiere bedeutet sie auch in diesem Jahr den abrupten Abschied von ihrem Zuhause: "Zur Ferienzeit werden wieder vermehrt Haustiere abgegeben oder ausgesetzt", schreibt etwa das Magazin "Petbook". Der "NDR" berichtet im Juli, dass schon vor Beginn der Sommerferien in Hamburg fast 200 Tiere in der Hansestadt ausgesetzt wurden.

Auch in der Metropolregion macht sich dieses Phänomen bemerkbar: Michaela Pfaff, Leiterin des Tierschutzhauses Fürth, berichtet, dass Anfang des Monats direkt vor den Pforten der Einrichtung drei Kaninchen ausgesetzt worden sind. Dabei hat das Tierschutzhaus keine Kapazitäten mehr für "Neuankömmlinge": "Wir sind rappelvoll", erklärt Pfaff. "Die Zeit über die Sommermonate ist immer schwierig, für alle Tierheime - und die Urlaubszeit macht das Fass dann voll."

Vorgeschobene Gründe oder Freilauf mit ungewissem Ausgang

Momentan gebe es viele Anfragen von Besitzern, die ihre Tiere abgeben möchten. Vermeintlich aus den verschiedensten Anlässen: Plötzlich auftretende Allergien, Umzüge, Jobwechsel - "mit Sicherheit sind das auch vorgeschobene Gründe", glaubt Pfaff. Neulich habe tatsächlich eine Frau angerufen, die unverhohlen zugab, dass sie einen vierwöchigen Urlaub gebucht habe und deshalb nach einem - zumindest übergangsweise - neuen Zuhause für ihre zwei Katzen suche. Helfen konnte Pfaff der Frau nicht: "Wir können keine Tiere mehr aufnehmen", erklärt sie.

Ein Grund für die hohe Auslastung im Tierschutzhaus sind die vielen Fundtiere, die im Sommer dort landen - auch, weil viele Katzenbesitzer ihre Tiere vor der Abreise in den Urlaub einfach laufen lassen und "hoffen, dass sie noch da sind, wenn sie wieder zurückkommen." Sollte das nicht der Fall sein, und die Katzen stattdessen beispielsweise als Fundtiere im Heim landen, "ist es für sie dann auch nicht so schlimm", berichtet Pfaff.

Immer mehr trächtige Katzen

Doch die Urlaubszeit ist nicht der einzige Grund, warum in letzter Zeit vermehrt Fundkatzen im Tierschutzhaus abgegeben wurden: "Wir haben in diesem Jahr so viele trächtige Katzen bekommen wie noch nie", erklärt Pfaff. Viele Besitzer ließen ihre Tiere nicht mehr kastrieren - sei es aus Unwissenheit, Sorglosigkeit oder aus Kostengründen. Die überforderten Besitzer würden nicht selten versuchen, die Tiere loszuwerden - so manche "Fundgeschichte" sei deshalb "mal mehr, mal weniger glaubhaft."

In Nürnberg ist die Lage aus dem gleichen Grund ähnlich angespannt: "Wir haben derzeit einen Bestand von 120 Katzen, davon viele Mütter mit Jungtieren", erzählt Tierheimsleiterin Tanja Schnabel. Alleine in der vergangenen Woche seien elf neue Tiere dazugekommen - Würfe von trächtigen Katzen, die abgegeben wurden, mit eingerechnet. "Die Woche davor waren es sogar 21 neue Katzen, auch da waren mindestens zwei Würfe dabei", weiß die Leiterin des Tierheims.

Viele Besitzer verantwortungslos

Ausgesetzte Tiere in der Urlaubszeit, immer mehr unkastrierte und trächtige Fundkatzen - für die beiden Tierheimleiterinnen Symptome einer generellen Problematik: Beide sagen, dass viele Menschen sich vor der Anschaffung eines Haustiers zu wenig Gedanken über die Verantwortung machen, die damit einhergeht. "Es gibt Leute, die schaffen sich ein Tier als Spielzeug für die Kinder an, das ist weit verbreitet", weiß Tanja Schnabel. "Aber wenn die Kinder älter werden und das Interesse verlieren, wird den Familien die Arbeit oft zu viel und niemand will sich mehr um das Tier kümmern."

Michaela Pfaff teilt diese Einschätzung: "Manche Tiere werden wie ein Gadget behandelt. Wenn es gerade in die Lebenssituation passt, werden sie angeschafft, und wenn dann zum Beispiel ein Jobwechsel oder Umzug ansteht, werden sie abgegeben." Das Internetzeitalter und Social-Media-Plattformen würden zu diesem Phänomen beitragen - ebenso wie der Umstand, dass es schlicht zu leicht sei, sich ein Haustier zuzulegen.

Haustier-Shopping via Ebay: zu leicht, zu viele Probleme im Nachgang

"Ein Grund ist der einfache Verkauf über Ebay. Man kann mit einem Klick schauen, wie viele Tiere dort angeboten werden", sagt die Leiterin des Tierschutzhauses. Viele dieser Tiere würden aus dem Ausland stammen, über deren Schicksal sei den künftigen Besitzern nichts bekannt: "Die Leute verlieben sich in ein Foto, sind dann aber völlig überfordert, weil die Tiere oft keine Erziehung genossen haben - die pinkeln alles voll oder jagen Fahrrädern hinterher. Die Leute sind dann völlig überfordert und die Tiere landen im Heim."

Tanja Schnabel merkt an, dass es sich bei vielen Händlern, die auf Kleinanzeigenportalen Tiere inserieren, um dubiose "Möchtegern-Tierschutzorganisationen" handele: "Das ist nur Geldmacherei. Oft stimmen die Tiere nicht mit der Beschreibung überein, die Leute versuchen dann nicht selten, sie wieder loszuwerden", weiß die Leiterin des Nürnberger Tierheims. Ein weiteres Problem: "Hunde zum Beispiel, die hier mit entsprechender Vorgeschichte landen, brauchen viel länger, bis sie wieder vermittelt werden können. Sie zeigen oft Verhaltensauffälligkeiten, die neuen Halter brauchen dann jede Menge Erfahrung."

Abschied vom Haustier: Die Gründe sind oft noch banaler

In vielen Fällen ist der Grund für die Überforderung von Haustierbesitzern aber noch viel profaner als die Tatsache, dass das Tier nicht den Vorstellungen entspricht oder sich auffällig verhält, wie Michaela Pfaff erklärt: "Die Leute stellen nach dem Kauf oft überhaupt keine weiterführenden Überlegungen an. Was passiert, wenn das Tier krank wird? Oder das Futter auf einmal zu teuer ist?"

In jedem Fall ist das Ergebnis das gleiche: Die Tiere werden abgegeben - und die Heime platzen aus allen Nähten. Am meisten leiden jedoch die Tiere selbst: "Für das Tier ist das eine Katastrophe. Es verliert sein Zuhause, seine Bezugspersonen, sein Leben wird auf den Kopf gestellt", erklärt Schnabel.

Besonders wenig Verständnis hat die Nürnberger Tierheimleiterin, wenn der Grund für die Abgabe des Tieres planbar ist - und zum Beispiel doch in einer Banalität wie dem Sommerurlaub besteht: "Planbare Dinge wie ein Urlaub dürfen nicht Grund dafür sein, dass man ein Tier loswerden will. Es gibt Tierpensionen oder die Möglichkeit, sich mit Bekannten zusammenzutun." Bei aller Tragik, bei aller Belastung für die Tiere, die wieder abgegeben werden - "in solchen Fällen ist es dann vielleicht besser so", findet Schnabel.

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