Kulturhauptstadt 2025: So hat sich Nürnberg vorgestellt

Harald Baumer

Berlin-Korrespondent der NN

E-Mail zur Autorenseite

1.10.2019, 13:12 Uhr

In wenigen Minuten alles über sich erzählen zu müssen, oder doch wenigstens das Wichtigste, und dabei auch noch unterhaltsam zu sein, das ist nicht gerade die leichteste Übung. Wer hätte nicht schon in der Schule oder im Berufsleben erlebt, wie quälend lang sich so eine Vorstellungsrunde hinziehen kann. Wie peinlich die Angeber sind, wie langweilig die allzu Bescheidenen, wie wenig originell die vermeintlich Originellen.

Jetzt war in Berlin solch eine Runde zu besichtigen - und zwar die Kürzestpräsentation der acht deutschen Bewerberstädte für den Titel Kulturhauptstadt Europas 2025. Jeder hatte nur drei Minuten Zeit. Da kann man natürlich nicht die dickleibigen und manchmal arg theorielastigen Schriftstücke vorlesen, die sich die örtlichen Projektbüros haben einfallen lassen. Es gilt die alte Weisheit aus den Science-Slams: Lang und kompliziert schafft es jeder, kurz und einfach kaum einer.

Es war eine bunte Mischung. Fünf ostdeutsche Städte und drei westdeutsche, drei relativ bekannte Kommunen (darunter Nürnberg und Dresden) und fünf eher nicht so bekannte Bewerber wie Zittau und Hildesheim. Jeder stand vor dem Problem, dass es nicht reicht, zu sagen, wir haben bei uns daheim viel Kultur und möchten deswegen gerne Kulturhauptstadt werden. Nach dieser Definition hätte Dresden in seiner barocken Schönheit vielleicht schon gewonnen.

Nürnbergs Gegensätze

Hans-Joachim Wagner, der Leiter des Nürnberger Bewerbungsbüros, beging nicht den Fehler, seine drei Minuten zu überfrachten. Er fragte zunächst, was seinen Zuhörern wohl in den Sinn komme, wenn sie den Namen der Stadt hören. Dann zählte er das auf, was die Franken vielleicht schon gar nicht mehr hören können, was aber für alle Nicht-Franken gar nicht so abgedroschen klingt - die Gegensätze Mittelalter/Burg/Christkind und Nazis/Reichsparteitage/Nürnberger Prozesse. Und er sprach offen wie kaum ein anderer an, was das Dilemma der Kommune sei: "Wenige Städte zweifeln so sehr an sich selbst wie Nürnberg." Das blieb hängen.


Kulturhauptstadt Nürnberg? Zwölf Dinge, die man wissen muss


So originell wie Hannover (eine komplett in schönstem britischen Englisch gehaltene Rede), so altfränkisch wie Dresden (die Vortragende hatte eine Bäckerjacke an) und so aufgewühlt wie Chemnitz (die rechten Krawalle offen angesprochen) war das nicht, was Nürnberg bot, aber für Außenstehende doch gut im Kopf zu behalten - nämlich als eine Stadt, die mit sich ringt und in der Fremd- und Selbstbild nicht immer so richtig zusammenpassen wollen.

"Feldkulturerbe" statt "Weltkulturerbe"

Das war in jedem Falle wirkungsvoller als - um nur ein Beispiel zu nennen - Magdeburg. Dessen Zauberformel zum Erwerb des Titels der Kulturhauptstadt ("Vakuum hat Kraft") klingt dann doch sehr gewollt. Auch wenn der Spruch überaus korrekt aus der Geschichte herausdestilliert ist, nämlich aus den Luftdruck-Experimenten des Physikers Otto von Guericke.

Liebling der Herzen unter den Bewerbern ist schon seit längerem Hildesheim. Die Stadt bekennt sich bei jeder Gelegenheit umstandslos dazu, Provinz zu sein. Um den Eindruck einer Kopfgeburt von vorneherein zu vermeiden, schleppte Projektleiter Thomas Harling eine Zuckerrübe (noch mit Erdkrumen bedeckt) an das Rednerpult. "Feldkulturerbe" statt "Weltkulturerbe" eben. Ebenfalls sehr schön der Wahlspruch der Hildesheimer: "Zuckerrüben, Rosen und der Sinn des Lebens".

Wie geht es weiter? Im Dezember wird eine Auswahl der Städte vorgestellt, die weiterkommen. Wenn die Eindrücke der Präsentation (und erst recht der Blick ins frisch gedruckte Bewerbungsheft) nicht täuschen, sollte es Nürnberg zumindest in die nächste Runde schaffen.

12 Kommentare