Landtagswahl: Zahnloser Kampf ums "Paradies"
4.9.2013, 22:22 UhrBayern ist sowas wie die Pforte zum Paradies. Das zumindest behauptete Ministerpräsident Horst Seehofer in den vergangenen Wochen gleich mehrfach. Jetzt ist Wahlkampf, spätestens seit dem TV-Duell zwischen ihm und seinem Herausforderer Christian Ude (SPD). Und eigentlich sollte ein Kampf entbrennen um eben jenes Paradies.
Dort regiert Seehofer. Daraus verdrängen will ihn Christian Ude, der im gesamten TV-Duell genau das nie ausspricht. Das Wort "Ministerpräsident" nimmt der SPD-Spitzenkandidat nur dann in den Mund, wenn er sein Gegenüber anspricht. Viel häufiger fällt da schon der Begriff "Bundespolitik". Pkw-Maut, Mindestlohn, Stromsteuer - allessamt Themen, die keiner der Protagonisten in einer Amtszeit als Ministerpräsident in der Hand hätte. Dennoch nehmen sie etwa die Hälfte der Redezeit ein.
"Die Pkw-Maut kommt so sicher wie der Transrapid!"
"Diese Maut für Ausländer muss kommen und sie wird kommen", sagt Seehofer und beharrt auf seinem Kurs. Sie sei eine Frage der Gerechtigkeit. Ude wirft dem Ministerpräsidenten Irreführung der Öffentlichkeit vor, spricht von "Hirngespinsten". Ob er der Kanzlerin dankbar sei, ihm ein Thema geliefert zu haben fragt der Moderator Sigmund Gottlieb Ude. Der pariert: "Ich bedanke mich nicht bei der Kanzlerin, sondern bei Horst Seehofer." Und überhaupt komme die Pkw-Maut genauso sicher wie der Transrapid, sagt der SPD-Spitzenkandidat.
Es ist eine Landtagswahl, der schlichtweg die brisanten Themen fehlen. Solche, die die Wählerschaft entzweien. Im Themenkomplex "Schule und Ausbildung", dem laut BR-Umfragen wichtigsten Thema für die Bürger, trennen SPD und CSU nur Nuancen. Seehofer will beim achtjährigen Gymnasium mit individuellen Fördermöglichkeiten bleiben, Ude zumindest eine Wahlmöglichkeit zwischen G8 und G9.
"Ganz Bayern leidet unter dem G-8-Murks", sagt Ude. "Darüber schütteln alle Lehrer und Schüler den Kopf." Gleichzeitig muss der SPD-Spitzenkandidat aber auch das bayerische Schulsystem als das leistungsfähigste loben - ohne aber unerwähnt zu lassen, dass es seiner Meinung nach auch "ungerecht" sei.
Seehofer als Marathon-Mann
Horst Seehofer setzt auf die bewährte Selbstbeweihräucherung. "Bayern hat die größte Dynamik im Kita-Ausbau", sagt der Ministerpräsident. Ein Fall "für den Wahrheitscheck", wie Ude kontert. Seehofer inszeniert sich nun als "Marathon-Läufer", der in Sachen Kindertagsstätten als erster durchs Ziel läuft. Bayern hat sich die Kraft eingeteilt - und überholt nun alle anderen Bundesländer. So zumindest die Meinung des CSU-Chefs.
Zum ersten Mal seines Namen würdig wird das Duell dann beim Thema Energiepolitik. Ude wirft Seehofer vor, sich ein Hintertürchen zur Atomkraft offenzuhalten und nicht wirklich an einer Energiewende interessiert zu sein. Er prangert vor allem die geringe Anzahl an Genehmigungen für Windräder an. Seehofer kontert mit einem seiner liebsten Sprachbilder zu diesem Thema: Er wolle Bayern nun einmal nicht "verspargeln lassen".
Christian Ude wäre sicherlich gerne die Schlange, die Horst Seehofer aus "seinem" Paradies vertreibt. Der große Treffer fehlt dem SPD-Spitzenkandidaten allerdings. Trotzdem beweist der Hemdkragen von Horst Seehofer: Er ist durchaus ins Schwitzen geraten. Denn dass die übliche Rhetorik von der Sonderrolle Bayerns in Deutschland nicht ausreicht, musste er schon nach wenigen Minuten begreifen.
Immerhin: Der Freistaat hat nun einen Wahlkampf. Einen, der tiefer geht als die zahlreichen Wahlplakate auf Bayerns Straßen. Einen, in dem Ude die Konfrontation und Seehofer den Wahlkampf selbst nicht mehr scheut. In den Umfragen steht Christian Ude derzeit bei 18 , Horst Seehofer bei fast schon übermächtigen 47 Prozent. Der bewirbt sich in seiner Schlussansprache dann auch "um eine Vertragsverlängerung". Und steht dabei nur noch 11 Tage vor der Unterschrift.
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