Terrorgefahr: Heilpraktikerin nahm Kommunalpolitiker aus dem Nürnberger Land ins Visier
29.4.2021, 19:02 UhrErst waren es Briefe mit Todesdrohungen, später sollte nach Ansicht der Ermittler ein Anschlag folgen: Am Oberlandesgericht (OLG) München hat der Prozess gegen die mutmaßliche Rechtsterroristin Susanne G. (55) aus dem Nürnberger Land begonnen.
Die Heilpraktikerin aus Leinburg ist wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat angeklagt. Sie soll per Grußkarten Todesdrohungen und Munition an einen Bürgermeister und einen Landrat, einen Moschee- und einen Flüchtlingsverein verschickt haben – und dann untergetaucht sein mit dem Ziel, Anschläge zu begehen.
Verhandlung beginnt: Das plante die rechtsextreme Heilpraktikerin aus Franken
Angefangen hatte es im Dezember 2019. "Juden- und Ausländerfreund" und "Erschossen auf der Terrasse" schrieb die 55-Jährige damals laut Anklage in einer Beileidskarte an Landrat Armin Kroder (Freie Wähler), der auch Bezirkstagspräsident von Mittelfranken ist. "Wir kriegen Euch alle", stand dabei.
Ein Drohszenario, das an die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke rund sechs Monate zuvor erinnert. Es folgten anonyme Anrufe und weitere Briefe auch an andere Amtsträger, eine türkisch-islamische Gemeinde oder an einen Flüchtlingshilfe-Verein. Im Inneren der Gruß- und Beileidskartenverbargen sich Botschaften voller Hass, teilweise mit Patronen als Beigabe. Ganz unverhohlene Todesdrohungen.
Und diesen sollten irgendwann offenbar Taten folgen. Spätestens im März 2020 habe sich die Bereitschaft der Frau verfestigt, Tötungsdelikte nicht nur anzudrohen, sondern auch durchzuführen, zitierte der Staatsanwalt aus der Anklage. Sie habe beabsichtigt, einen Anschlag zu begehen – gegen Repräsentanten des von ihr abgelehnten freiheitlich-demokratischen Gesellschaftssystems oder gegen Menschen muslimischen Glaubens.
Jeep randvoll mit Waffen
Nach Ansicht der Ermittler kundschaftete sie mögliche Ziele aus und besorgte sich Bücher wie "Die Autobombe: Kenne Deinen Gegner" oder das "Lehrbuch für Profikiller". Am 7. September 2020 war ihr Jeep randvoll mit Waffen und Material zum Bombenbau: Gaskartuschen, Benzinkanister, Zündschnüre, ein Waffengürtel, eine schusssicheren Weste, Messer, Handschellen, eine Schleuder, Stahlkugeln und mehr.
Doch zur Ausführung der Tat sei es nicht mehr gekommen, sagte der Staatsanwalt. Als sie ihr Hotel in Fürth verließ, nahm man sie fest. Besonders brisant: Die Heilpraktikerin soll Briefkontakt zu zwei verurteilten Helfern der Terrorzelle NSU um Beate Zschäpe gehabt haben, zu Ralf Wohlleben und André E.
"Neonazi-Heilpraktikerin" Susanne G. vor Gericht
Zudem soll sich die 55-Jährige bei der neonazistischen Partei "Der III. Weg" engagiert haben. Vier Neonazis dieser Partei, darunter der Bundesvorsitzende, waren zum Prozess angereist. Ihre Anwälte Nicole Schneiders und Wolfram Nahrath gelten als Szene-Anwälte und verteidigten auch schon Wohlleben im NSU-Prozess.
Nebenklageanwalt Harald Straßner, der Landrat Kroder vertritt, hält ein Netzwerk hinter den Taten für möglich. "Daraus schließe ich auch, dass die Gefährdungslage bei weitem noch nicht vorbei ist", sagte der Jurist nach der Verhandlung. Bei seinem Mandant lösten die Vorfälle immer noch einen gewissen Schrecken aus. Die Familie öffne Briefe noch heute mit ungutem Gefühl.
Schnaittacher Bürgermeister bedroht
Auch der Bürgermeister von Schnaittach, Frank Pitterlein (CSU) wurde bedroht. Sein Anwalt Maximilian Bär forderte, "insbesondere etwaige Verwicklungen und Verstrickungen zum Nationalsozialistischen Untergrund" aufzuklären. Die große Frage sei, "warum hier Kommunalpolitiker ins Fadenkreuz geraten" sind. Er befürchte eine "Erweiterung des Neonazistischen Netzwerkes im Bereich des Nürnberger Landes".
Der erste von 20 angesetzten Prozesstagen endete überraschend schnell. Es gebe weitere Ermittlungsergebnisse, mit denen die Prozessparteien nun auseinandersetzen müssten, erklärte das Gericht. Worum es dabei geht, war nicht zu erfahren.