Millionenklage gegen Süddeutsche Zeitung abgeschmettert

Ulrike Löw

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4.2.2021, 12:26 Uhr
Millionenklage gegen Süddeutsche Zeitung abgeschmettert

© Ulrike Löw, NNZ

Das größte Solarkraftwerk in der Sahara schwebte ihm vor – doch 15 Jahre nach Firmengründung bescherte die Pleite von Solar Millenium 30.000 Anlegern einen Verlust von 200 Millionen Euro. Der Name des Firmengründers Hannes Kuhn schien plötzlich mit dubiosen Geschäften verbunden.

Unter dem Titel “Wetten auf den Absturz“ veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung am 25. Juni 2013 einen Artikel und warf die Frage über eine spektakuläre Zockerei auf: Ausgerechnet Firmengründer Hannes Kuhn soll auf den Sinkflug der Aktie gewettet und dazu Insiderwissen direkt aus dem Vorstand verwendet haben.

Kuhn zog gegen die Süddeutsche Zeitung vor Gericht. Er behauptete, das ihm aufgrund der Berichte, der in der Schweiz verbreitete Tagesanzeiger hatte das Thema aufgegriffen, ein dickes Geschäft über 78 Millionen 242.500 Euro geplatzt sei. Diese Summe forderte er als Schadenersatz.

Kolossales Scheitern

Um Missverständnisse zu vermeiden: Ob Hannes Kuhn tatsächlich auf den Untergang des Solarunternehmens gewettet hatte, ob der Bericht der Süddeutschen Zeitung in jedem Detail zutrifft – all dies hatten die Gerichte überhaupt nicht zu prüfen. Und es war auch gar nicht nötig, denn die Zeitung hatte in ihrem damalige Bericht deutlich gemacht, dass es sich um eine Vermutung, nicht um eine Tatsache, handle, dass Hannes Kuhn Insiderwissen ausgenutzt habe.

Und vor Gericht schaffte es Geschäftsmann Hannes Kuhn in der Beweisaufnahme nicht einmal, die erste Hürde zu nehmen. Die Klageschrift seiner Anwälte war zwar 50 Seiten dick, doch viel Sachliches war darin nicht zu finden – so merkten die Richter am Landgericht Nürnberg-Fürth bereits im Herbst 2018 in erster Instanz an, dass es schade sei, dass für das Papier dieses Schriftsatzes überhaupt Bäume sterben mussten.

Auch in der Berufung kein Erfolg

Nun wies das Oberlandesgericht Nürnberg auch in der Berufung die Millionenklage gegen die Zeitung zurück. Bereits am Landgericht Nürnberg-Fürth war auffällig, dass der Geschäftsmann Kuhn seine Klage kaum mit Beweisen unterfüttern konnte. Die Zivilkammer hatte auch die honorigen Geschäftspartner geladen, keiner von ihnen hatte den angeblich so folgenreichen Artikel der Süddeutschen Zeitung überhaupt gelesen. Vielmehr behauptete einer der angeblichen Investoren, die Vorwürfe aus dem Schweizer Tagesanzeiger zu kennen - nach dieser Lektüre sei Kuhn angeblich als möglicher Geschäftspartner nicht mehr tragbar gewesen, man habe nicht einmal mehr mit ihm gesprochen.

Ist dies glaubwürdig? Ein Millionengeschäft wird geplant, angeblich sollten in Indien und Indonesien Kraftwerke realisiert werden und die Investoren springen nach einem Zeitungsbericht ab? Ohne mit ihrem Geschäftspartner Kuhn auch nur zu telefonieren? Wenig glaubhaft, hieß es im Landgericht.

Für den 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts waren mehrere Gründe maßgeblich, die Berufung zurückzuweisen: Das Berufungsgericht ist bereits an die Feststellungen des Landgerichts gebunden – irgendeinen Anhaltpunkt, an den Feststellungen des Landgerichts zu zweifeln, gab es nicht.

Die Süddeutsche Zeitung hätte sich schadenersatzpflichtig machen können, wenn sie durch die Veröffentlichung des strittigen Artikels pflichtwidrig gehandelt hätte – das ist jedoch nicht der Fall. Im Wesentlichen sei die Darstellung des Verdachts in dem Artikel zutreffend gewesen.

Schließlich stellen die Richter des Senats fest, dass sie zwar nachvollziehen können, dass sich Geschäftspartner um ihren Ruf sorgen und negative Folgen befürchten, wenn einer von ihnen für negative Schlagzeilen sorgt - doch dass gerade die im Artikel missverständlichen Details für einen Abbruch der Geschäftsbeziehung gesorgt haben sollen, überzeugt die Richter nicht.

Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 4. März 2020, Az.: 3 U 2445/18 und der gerade ergangene Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg Az.: 3 U 2445/18.