Mordanklage: "Reichsbürger" droht lebenslange Haft
24.8.2017, 09:01 UhrWas die Staatsanwälte gegen den 49-Jährigen aus Georgensgmünd im Landkreis Roth ermittelt haben, klingt nicht nach einer zufälligen Tat. Es wirkt eher, als habe der Mann kaltblütig auf Polizisten geschossen. Absichtlich.
Der als "Reichsbürger" bekannte Mann war ins Visier der Behörden geraten. Wegen der Zugehörigkeit zu der als rechtsradikal bezeichneten Gruppierung sei er unzuverlässig und sollte seine Waffen abgeben. 31 Pistolen, Revolver und Gewehre besaß der Mann, legal erworben.
Die Polizei ahnte, dass es Probleme geben könnte. Und so war das Spezialeinsatzkommando dabei, als die Ordnungshüter am 19. Oktober 2016 an der Haustür des Mannes klingelten. Und dann ein Szenario, das in dieser Form niemand erwarten konnte: Der 49-Jährige, so die Staatsanwaltschaft, zog sich eine kugelsichere Weste an und schoss vom Hausflur aus einem Hinterhalt elfmal durch die geschlossene Tür.
Ein 32 Jahre alter Angehöriger des Spezialeinsatzkommandos starb durch eine Kugel, zwei seiner Kollegen erlitten Verletzungen wie einen Durchschuss am Unterarm und Wunden durch Splitter. Wollte der "Reichsbürger" am frühen Morgen Einbrecher abwehren? Also Notwehr?
Nein, heißt es bei den Ermittlern. Der Georgensgmünder konnte durch die Teilverglasung erkennen, dass uniformierte Beamte vor der Tür standen. Zudem gebe es Zeugen, die den Ruf "Hier spricht die Polizei" gehört haben - vor den tödlichen Schüssen offenbar. Juristisch ist das laut Anklage Mord, versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung. Dafür könnte der 49-Jährige die Höchststrafe kassieren: Lebenslang.
Wurde der "Reichsbürger" gewarnt?
Bisher nicht völlig aufgeklärte Kontakte des Angeklagten zu Polizisten ließen wiederholt den Verdacht aufkeimen, der "Reichsbürger" sei vor dem Polizeieinsatz gewarnt worden.
Von diesem Verdacht ist ein 51 Jahre alter Beamter inzwischen vom Schwurgericht entlastet worden. Es sei nicht bewiesen, dass der Mann von den Mordplänen des "Reichsbürgers" wusste. Aber die Sache ist noch nicht ausgestanden.
Die Staatsanwaltschaft hat Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt. Der Vorwurf: Fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung im Amt durch Unterlassen. Der Mann hätte seine Kollegen vor der Gefährlichkeit des späteren Angeklagten warnen können. Im Visier der Staatsanwaltschaft ist zudem ein 50-jähriger Polizist. Der Oberkommissar hatte eine Abfrage zu dem "Reichsbürger" Wolfgang P. auf dem Dienstrechner unternommen. Hat er Dienstgeheimnisse weitergegeben?
Der Fall Wolfgang P. zeigt deutlich, wie ein Mann, der sich zunächst scheinbar harmlos von der Bundesrepublik Deutschland distanziert, zum Angeklagten in einem Mordfall werden kann. Als "Spinner" abgetan, wurde die Gefahr durch "Reichsbürger" lange unterschätzt.
Nachweis der Abstammung
Die Gemeinde Georgensgmünd bekam es offiziell Ende 2015 zum ersten Mal mit P. zu tun. Damals hatte er zunächst einen Abstammungsnachweis verlangt, sagt Bürgermeister Ben Schwarz. Daran sei per se nichts verdächtig, schließlich kämen solche Anfragen ja auch von Leuten, die Familienforschung betrieben. Einige Zeit später habe der Mann aber dann im Beisein zweier Zeugen im Einwohnermeldeamt seinen Personalausweis abgegeben.
"Sonderbar" habe P. gewirkt, manche Anwohner hätten wohl über ihn getuschelt, sagt Schwarz. Der Bürgermeister hat ein Dokument aufgehoben, eine "Lebenderklärung", die offenbar von P. stammt und sogar in einem Lokalblatt als Inserat auftaucht.
In Handschrift heißt es dort, er, Wolfgang P., sei "der lebendige beseelte und selbstbewusste Manne aus Fleisch und Blut nach der päpstlichen Bulle von 1540." Und an anderer Stelle: "Ich bin immer noch am Leben und weder auf hoher See, noch sonst irgendwo im Universum verschollen." Unterschrieben ist die Erklärung von zwölf Zeugen, die samt Verfasser ihre Fingerabdrücke in roter Farbe auf dem Papier hinterlassen haben.
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