Nach 34 Jahren: Corona-Intensivpflegerin soll abgeschoben werden - "Absolute Frechheit"

14.12.2020, 14:02 Uhr

Farah Demir hat einen schweren Job - aktuell vielleicht sogar den schwersten, den es gibt. Seit Beginn der Corona-Pandemie pflegt die 36-Jährige Corona-Patienten auf der Intensivstation.

Zusammen mit ihren Kollegen kämpft sie im Klinikum der Medizinischen Hochschule Hannover täglich um das Leben der schwer Erkrankten. Nun droht ihr die Abschiebung. Die Behörden haben ihr ein Ultimatum gesetzt, wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) berichtet.

Krankenpflegerin droht Abschiebung: Bis 20. Dezember soll sie Ausweis vorlegen

Bis zum 20. Dezember soll sie einen deutschen Pass vorlegen. Den hat sie von den Behörden trotz jahrelanger Bemühungen allerdings nie erhalten.

Als sie zwei Jahre alt war, flohen ihre Eltern mit Demir vor dem Bürgerkrieg im Libanon nach Deutschland. Einen Ausweis besitzt sie seit 34 Jahren nicht, ihr Status ist lediglich der einer "geduldete Person mit ungeklärter Identität".

Bis 2005 war das noch anders. Bis dato wurde ihre Geburtsurkunde aus dem Libanon offiziell anerkannt - auch wenn diese nicht offiziell bestätigt war, weil dafür aufgrund des Krieges schlichtweg die staatlichen Strukturen fehlten.

Abschiebung soll verhindert werden: Personalrat kämpft mit Petition

Nach einem "Wechsel in der Sachbearbeitung der zuständigen Ausländerbehörde" wurde ihr ihre unbefristete Niederlassungserlaubnis wieder entzogen. Seitdem muss ihre Duldung alle sechs Monate erneuert werden.


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Dies sei bislang eher eine Formalie gewesen, so Demir gegenüber der HAZ. Nun aber verlangt die Ausländerbehörde in Hameln bis 20. Dezember einen Nachweis ihrer Identität.

Petition gegen Abschiebung: "Frau Demir ist unverzichtbar"

Mithilfe einer Petition, die sich an Bundesinnenminister Horst Seehofer richtet, kämpft nun der Personalrat des Klinikums für Farah Demir. In der Petition heißt es: "Frau Demir leistet im Rahmen ihrer Tätigkeit einen wertvollen Beitrag zur Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in Deutschland, insbesondere in diesem Jahr hat sich ihre Tätigkeit darüber hinaus als systemrelevant erwiesen. Nicht nur aufgrund des Fachkräftemangels in der Pflege ist Frau Demir für die MHH unverzichtbar. Daher wird gefordert, dass ihr von dem Land, für dessen Bevölkerung sie sich täglich engagiert, eine sichere Perspektive geboten wird."


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Und weiter: "Viele Institutionen wurden von Frau Demir im Verlauf der Jahre um Unterstützung gebeten, hierzu zählen auch Härtefallkommissionen und Ministerien. Bisher waren ihre Bemühungen jedoch nicht erfolgreich. Ihre Duldung wurde stets im Rahmen von Ermessensentscheidungen um Zeiträume verlängert, die zwischen Wochen und Monaten variieren. Dies stellt eine psychische Dauerbelastung für eine Person dar, die in Deutschland aufgewachsen und in der deutschen Gesellschaft voll integriert ist."

Viel Unterstützung für Petition: "Unsicherheit ist absurd und verstörend"

Auch der Präsident der Hochschule setzt sich für seine Mitarbeiterin ein. Gegenüber der HAZ sagte er, die 36-Jährige sei eine „tadellose und bewährte Pflegekraft.“ Man werde sich „auf allen Kanälen“ für sie einsetzen.


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Fast 17.000 Unterstützer (Stand: 14. Dezember, 13.45 Uhr) haben sich der Forderung, Demir eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung zu geben, angeschlossen.

Viele bekunden ihre Solidarität zu der Fachpflegekraft - und machen ihrer Empörung Luft. Dieses Vorgehen sei eine "absolute Frechheit", so ein Unterzeichner. Eine weitere Unterstützerin schreibt: "Die über drei Jahrzehnte andauernde Unsicherheit ist absurd und verstörend. Das muss ein Ende haben."

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