Nach Bidens Sieg: Wird der Truppenabzug aus der Oberpfalz gekippt?

19.11.2020, 10:15 Uhr
Nach Bidens Sieg: Wird der Truppenabzug aus der Oberpfalz gekippt?

© Foto: U.S. Army

Als Hans-Martin Schertl am Morgen des 4. November aufstand und sich über den aktuellen Stand bei den US-Präsidentschaftswahlen informierte, hob das nicht gerade seine Stimmung. Zu diesem Zeitpunkt deutete noch vieles auf einen Wahlsieg von Amtsinhaber Donald Trump hin. Der Bürgermeister von Vilseck (Kreis Amberg-Sulzbach) stellte sich innerlich schon auf schwere Zeiten für seine Stadt ein.

Nun aber wird Joe Biden der nächste Präsident der USA, und in der Oberpfalz wächst die Hoffnung, dass die US-amerikanischen Truppen bleiben können. "Ich hoffe, dass der bisherige Zustand erhalten bleibt", sagt Schertl. Vilseck wäre von dem von Trump im Juni angekündigten Truppenabzug besonders betroffen. Den Plänen nach sollen Tausende Soldaten aus Deutschland verlegt werden, alleine 4500 Soldaten und 9000 Familienangehörige aus Vilseck am Truppenübungsplatz Grafenwöhr.

Dazu kommen etwa 1000 weitere in der Stadt Grafenwöhr stationierte G.I. der 173. Luftlandebrigade, die wahrscheinlich ins Hauptquartier dieser Einheit im italienischen Vincenza verlegt werden würden, sollten die künftigen politischen Entscheidungsträger in Washington tatsächlich an den Abzugsplänen festhalten. Grafenwöhrs Bürgermeister Edgar Knobloch zeigt sich jedoch optimistisch angesichts einer Rede, die Joe Biden kurz nach der Bekanntgabe seines Wahlsieges gehalten hatte. Darin hatte der künftige US-Präsident ausdrücklich die wertvolle Freundschaft der USA zu Deutschland betont.

Bis jetzt hat sich noch nichts getan

"Das war schon mal ein gutes Zeichen", sagt Knobloch. Ebenso wie sein Vilsecker Kollege hat er jedoch keinerlei Informationen, wie weit die Planungen zu den Verlegungen mittlerweile gediehen sind. Eigentlich sollte der vor fünf Monaten angekündigte Abzug der US-Truppen so schnell wie möglich beginnen, doch bis jetzt hat sich nichts getan. Vor Kurzem teilte die Kommandozentrale für die US-Streitkräfte in Europa (Eucom) auf Anfrage mit, dass die Vorbereitung noch Zeit brauche.


Abzug von US-Truppen: So profitierten Städte in der Region


"Die Planung erfolgt auf den höchsten Ebenen und berücksichtigt zahlreiche Überlegungen. Dies wird einige Zeit dauern", heißt es in der schriftlichen Antwort. Die Soldaten würden über die Planungen auf dem Laufenden gehalten. "Zu diesem Zeitpunkt haben wir aber keine weiteren Einzelheiten zu bieten und können nicht über Zeitpläne spekulieren."

Auch in den kommenden Wochen wird sich wohl nicht viel tun, hat Donald Trump am 9. November doch seinen Verteidigungsminister Mark Esper entlassen. Dessen Nachfolger Christopher Miller ist bis zum Machtwechsel im Weißen Haus nur kommissarisch im Amt, und angesichts dieser personellen Übergangslösung wird sich ein so gewaltiges und komplexes Projekt wie die Verlegung von mehreren tausend Soldaten wahrscheinlich weiter verzögern.

Verlegung würde mehrere Milliarden US-Dollar kosten

Der bei Trump in Ungnade gefallene Mark Esper hatte kurz vor seiner Abberufung denn auch auf den großen Aufwand und die gewaltigen Kosten solcher Truppenverlegungen hingewiesen. "1000 Soldaten abzuziehen, das kostet etwa eine Milliarde US-Dollar", sagt Hans-Martin Schertl. Diese Ausgaben seien im US-Haushalt noch gar nicht vorgesehen. Zudem müsste an den möglichen neuen Standorten erst mal die Infrastruktur für die zusätzlichen Streitkräfte geschaffen werden.

Die Bürgermeister von Vilseck und Grafenwöhr hoffen deshalb darauf, dass Biden bei seinen sicherheitspolitischen Entscheidungen auf seine Experten beim Militär hört. "Die wissen nämlich genau, was sie an unserem Truppenübungsplatz haben", sagt Edgar Knobloch.

Modernster Übungsplatz Europas

Grafenwöhr gilt als das modernste militärische Übungsareal Europas, in das in den vergangenen Jahren über eine Milliarde Euro investiert wurde. Aktuell werden dort Baumaßnahmen für mehr als 100 Millionen Euro verwirklicht. Neben einem militärischen Schulungszentrum mit Simulationstraining und einem Warenhaus entstand dort gerade eine Elementary School für rund 400 Kinder.

Die hervorragende technische Ausstattung ist nach Knoblochs Ansicht nicht das einzige Pfund, mit dem die Region wuchern kann. Neben der hohen Akzeptanz des US-Militärs bei der Bevölkerung hätten die Führungsoffiziere in Grafenwöhr und Vilseck immer wieder auch die effiziente deutsche Verwaltung und die gute Infrastruktur gelobt. "Das geht schon los mit der hohen Qualität unseres Trinkwassers und unserer sicheren Stromversorgung", erklärt Grafenwöhrs Rathauschef.

Knobloch und Schertl bauen nun unter anderem auf General Christopher Cavoli, der zwei Jahre lang Kommandant in Grafenwöhr war und inzwischen der Oberkommandierende der US-Landstreitkräfte in Europa und Afrika ist. Den in Würzburg geborenen Offizier verbindet eine langjährige Freundschaft mit den Menschen in der Metropolregion Nürnberg. Möglicherweise setzt er sich in Washington dafür ein, die Abzugspläne zu kippen – so die Hoffnung in der Oberpfalz.

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