Nach brutalen Katzen-Morden: Warum tun Menschen Tieren so etwas an?

Martin Müller

Redaktion Metropolregion Nürnberg und Bayern

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26.1.2021, 06:13 Uhr
Mit einem Schutznetz wie auf diesem Foto wollen noch nicht viele Katzen-Besitzer ihre Tiere von Ausflügen abhalten. Doch angesichts etlicher Meldungen von Misshandlungen und Tötungen von Katzen, haben viele ein mulmiges Gefühl.

© Franziska Gabbert, dpa-tmn Mit einem Schutznetz wie auf diesem Foto wollen noch nicht viele Katzen-Besitzer ihre Tiere von Ausflügen abhalten. Doch angesichts etlicher Meldungen von Misshandlungen und Tötungen von Katzen, haben viele ein mulmiges Gefühl.

Zuletzt tauchten vermehrt verstörende Berichte über schwer misshandelte oder getötete Katzen auf. In Neuburg an der Donau wurden drei geköpfte Katzen gefunden. Die Häupter waren auf Bahngleise gelegt worden.

In Kirchehrenbach (Landkreis Forchheim) waren in den vergangenen Jahren Katzen in Altöl, Benzin oder ätzende Flüssigkeiten getaucht worden. 2019 wurden dort drei an einen alten Bagger drapierte tote Katzen gefunden. Bei Pretzfeld entdeckte eine Gassi-Geherin eine enthauptete Katze auf einem Busch. Was treibt Menschen zu solchen Taten? Andrea Beetz, die viel zum Mensch-Tier-Verhältnis geforscht hat, versucht dies im Interview zu erklären.

"Der Täter will schockieren"

Frau Beetz, welches Motiv hat jemand, der Tiere tötet und sie dann öffentlich zur Schau stellt – wie jetzt zum Beispiel mit geköpften Katzen?

Andrea Beetz: Das ist wahrscheinlich Sadismus. Die Freude am Quälen und Töten des Tieres. Solche Täter haben das Bedürfnis, Macht auszuüben, teilweise auch noch in sexualisierter Form. Und anscheinend will der Täter durch Zurschaustellen auch noch andere schockieren.

Andrea Beetz lebt in Erlangen und hat dort Psychologie studiert. Sie hat viel zum Mensch-Tier-Verhältnis und zu tiergestützten Interventionen geforscht und von 2006 bis 2009 die Forschungsgruppe Mensch & Tier an der Universität Erlangen-Nürnberg geleitet. An der Universität Rostock habilitierte sie 2014 in Sonderpädagogik. Beetz ist heute Professorin für Heilpädagogik an der IUBH Internationalen Hochschule.

Andrea Beetz lebt in Erlangen und hat dort Psychologie studiert. Sie hat viel zum Mensch-Tier-Verhältnis und zu tiergestützten Interventionen geforscht und von 2006 bis 2009 die Forschungsgruppe Mensch & Tier an der Universität Erlangen-Nürnberg geleitet. An der Universität Rostock habilitierte sie 2014 in Sonderpädagogik. Beetz ist heute Professorin für Heilpädagogik an der IUBH Internationalen Hochschule. © privat

Kinder quälen ja auch häufig Tiere. Was ist da noch anders als bei Erwachsenen?

Beetz: Kleinkinder quälen Tiere meist unabsichtlich, einfach aus Neugierde. Bei ihnen ist das Empathievermögen noch nicht so ausgebildet. Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr das Tier leidet – vor allem wenn es ein Tier ist, dem man das Schmerzempfinden nicht so anmerkt. Das sollte man nicht überbewerten, dem Kind sagen, dass es so etwas nicht tun sollte, dass es dem Tier weh tut. Wenn es nach wiederholten Hinweisen trotzdem weiter Tiere quält, sollte man aber natürlich schon genauer hingucken.

Kinder und Jugendliche quälen teilweise auch Tiere, um so eigene Missbrauchserlebnisse nachzuspielen und zu verarbeiten. Manche töten sogar die Tiere, um sie vor dem vermeintlich schlimmeren Missbrauch durch einen Täter im Umfeld zu schützen.

Durch Tierquälerei hat man die Partnerin in der Hand

Bei Erwachsenen sollte sich ja schon genug Empathie ausgebildet haben. Warum quälen diese, unabhängig von sadistischen Motiven, trotzdem Tiere – obwohl sie ja genau wissen, wie sehr die Tiere leiden?

Beetz: Bei manchen ist das einfach Mittel zum Zweck. Durch das Tier, dass die Frau oder die Kinder so sehr lieben, hat man diese in der Hand. Da sagen die Täter zur Partnerin: "Wenn du mich verlässt, mache ich mit dir dasselbe wie mit dem Hund oder der Katze." Oder sie werfen eines der drei Meerschweinchen an die Wand und sagen zu den Kindern: "Wenn du etwas sagst, passiert mit den beiden anderen dasselbe." Solche Täter wollen andere Menschen kontrollieren.

Manche quälen auch Tiere aus Rache oder Ärger über die Halter. Sie schrecken noch davor zurück, dem anderen eine zu verpassen. Aber sie quälen dessen Katze – und können dann sicher aus der Distanz beobachten, wie auch der Besitzer darunter leidet.

Warum werden ausgerechnet Katzen oft zu Opfern von Tierquälerei?

Beetz: Katzen stehen den Menschen sehr nahe, viele sind ausgesprochen umgänglich, da trauen sich die Täter ran. Im Gegensatz zu Hunden laufen außerdem sehr viele Katzen frei draußen herum, sie sind das leichteste Ziel und viel einfacher zu fangen als Wildvögel oder Eichhörnchen.

Täter wollen den Schmerz mitbekommen

Warum reicht es solchen Tätern nicht, Insekten zu quälen?

Beetz: Katzen haben für die Besitzer eine hohe emotionale Wertigkeit. Sie sind uns viel näher als Fliegen. Es ist schon ein Akt, ein größeres Säugetier zu töten. Wenn man es befriedigend findet, den Schmerz zu merken, wenn man ein Tier quält oder tötet, dann sucht man sich so ein Tier.

Vom Quälen zum Töten ist es ja noch ein großer Schritt. Was bringt manche dazu, diesen zu tun?

Beetz: Bei manchen ist es sicher mit der Zeit immer mehr eskaliert, sie haben sich stufenweise gesteigert. Manche Täter planen gezielt Tierquälereien zur eigenen Befriedigung. Das Quälen von Tieren zählt zum Beispiel auch zu den Diagnosekriterien einer Verhaltensstörung im Kindes- und Jugendalter oder einer dissoziativen Persönlichkeitsstörung bei Erwachsenen.

Manche Täter wollen das Tier möglichst lang und stark leiden sehen. Ihnen geht es darum, den Tod möglichst lange herauszuzögern. Es gibt das Beispiel eines Mehrfachmörders, der sich ein Schaf besorgt und über Sprengungen an dem Tier für das Quälen von Menschen geübt hat.

Neigen Tierquäler zu Gewalt gegenüber Menschen?

Da ging es dann also vor allem auch um das Quälen und Töten von Menschen. Wie sehr hängen denn Tierquälerei und Grausamkeit gegenüber Menschen zusammen?

Beetz: Es ist durch zahlreiche Studien sehr gut belegt, dass Gewalt gegenüber Tieren und Menschen sehr eng zusammenhängen und oft zeitgleich auftreten. Wenn irgendwo Tierquälerei auftaucht, sollten also sofort alle Alarmglocken schrillen und man sollte genauer hinsehen. Bei schlimmeren Fällen werden heute zum Glück häufiger psychiatrische Gutachten erstellt als früher.

Manche Menschen haben ein hohen Gewaltpotenzial in sich, das aber niemand mitbekommt, weil sie sich gegenüber Menschen noch beherrschen. Wenn solche Menschen dann aber unter extremem Stress sind, wenn sie den Arbeitsplatz oder den Partner verlieren – dann fallen manchmal die Hemmschwellen.