Erste Entscheidungen
Nach Masken-Deals: Können CSU-Abgeordnete rechtlich nicht belangt werden?
18.11.2021, 19:11 UhrFachleute hatten es schon angedeutet, jetzt haben es mehrere Strafsenate des Oberlandesgerichts in München bestätigt: Die Vorwürfe gegen den ehemaligen CSU-Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein und seine Parteifreund und Landtagskollegen Alfred Sauter könnten sich als haltlos erweisen.
Sauter und Nüßlein bilden die zentralen Figuren der so genannten Maskenaffäre. Nüßlein soll für einen Mandanten seine politischen Kontakte genutzt und Maskenverkäufe unter anderem an das bayerische Gesundheitsministerium vermittelt haben. Die GEschäfte gingen zu Beginn der Pandemie über die Bühne. Die Masken, heißt es, seien zu teuer gewesen. Sauter, so der Vorwurf, sei beteiligt gewesen und beispielsweise die Verträge mit ausgehandelt haben. Beide kassierten hohe Provisionen, Sauter angeblich mehr als 1,2 Million Euro, Nüßlein 660 000 Euro.
Landtagsbüro durchsucht
Als die Deals publik wurden, leitete die Generalstaatsanwaltschaft ein Verfahren gegen die Politiker und einen Unternehmer ein. Es geht um den Paragraphen 108e des Strafgesetzbuches und um den Vorwurf der "Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern". Fahnder durchsuchten Büros und Privaträume der Beschuldigten, auch im Landtag. Gegen den Unternehmer erging Haftbefehl. Und die Justiz arrestierte, wie es im Fachjargon heißt, Vermögensteile der drei: bei Nüßlein 660 000 Euro, bei Sauter 1,243 Millionen und beim Unternehmer 1,753 Millionen Euro.
Alle drei gingen vor den drei Senaten gegen die Beschlüsse vor, die sie gefasst hatten. Und alle drei haben weitgehend recht bekommen. Lediglich die Durchsuchungsbeschlüsse halten die Richter für korrekt, bei Sauter allerdings nicht einmal das. Haftbefehl und Vermögensarreste haben sie bei allen dreien aufgehoben.
Nicht im Mandat
Die Begründung ist bemerkenswert, deckt sich aber mit dem, was Fachleute vorausgesagt hatten. Der Vorwurf der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern setzt nach Ansicht der Richter voraus, dass "einem Abgeordneten ein Vorteil als Gegenleistung für eine Handlung bei der Wahrnehmung seines Mandates zugewendet oder versprochen" werde. Das aber sehen sie weder bei Sauter noch bei Nüßlein gegeben.
Beide hatten sich darauf berufen, sie seien in ihren Jobs außerhalb des Parlaments tätig geworden. Das sehen die Richter ähnlich. Nach ihrer Interpretation hat der Bund das Gesetz "zum Schutz der Arbeit von Parlaments- und Fraktionsgremien geschaffen". Der Paragraph greift nur, wenn der Bestechungsversuch die Arbeit direkt im Parlament, in seinem Plenum, den Ausschüssen der den Arbeitskreisen und Arbeitsgruppen der Fraktionen beeinflussen soll. Das allerdings wäre weder bei Sauter noch bei Nüßlein der Fall gewesen.
Unzufrieden
Behaglich fühlen sich die Richter mit ihrem Urteil wohl nicht. Sie weisen ausdrücklich darauf hin, dass "nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers" sich ein Mandatsträger nicht strafbar mache, wenn er "unberechtigte Vermögensvorteil" annimmt und "lediglich die Autorität seines Mandates oder seine Kontakte nutzt, um Entscheidungen" etwa von Ministerien "zu beeinflussen". Das müsse der Senat so hinnehmen, urteilen die Richter der drei betroffenen Senate unisono.
Für die Generalstaatsanwaltschaft ist das eine herbe Niederlage. Sie wird nun vor dem Bundesgerichtshof Beschwerde einlegen. Die Begründung überzeuge nicht, teilt die Generalstaatsanwaltschaft mit. Der Fall müsse deshalb höchstrichterlich entschieden werden. Die Münchner Chefankläger bleiben damit bei ihre Linie, dass Sauter und Nüßlein sich haben bestechen lassen.
Moralisch strittig
Unabhängig vom Ausgang des juristischen Streites hat die Maskenaffäre für beide erhebliche Folgen Georg Nüßlein hat sein Mandat als Bundestagsabgeordneter längst niedergelegt und die CSU verlassen - ein Schritt, den die Parteiführung ausdrücklich begrüßt hat. Sauter gehört zwar weiter dem Landtag an. Seine Fraktion allerdings hat ihn zunächst ausgeschlossen. Ob sie ihn nun wieder aufnehmen wird, ist offen. Denn die moralische Dimension der Affäre bleibt von der juristischen unberührt.