Neue Beleuchtungen: Region reagiert auf Lichtverschmutzung

Martin Müller

Redaktion Metropolregion Nürnberg und Bayern

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18.5.2019, 05:50 Uhr

Eben noch liegt der Käppnerweg im Fürther Wiesengrund ziemlich düster da, doch schon erstrahlt das Licht wie von Zauberhand mit voller Kraft. Ein Fußgänger nähert sich – ein, zwei, drei Lampen springen sogleich im Voraus an und begleiten ihn auf seinem Weg.

Die infra Fürth hat elf Leuchten mit Radarsensoren ausgestattet. Diese fungieren als Bewegungsmelder: Ist ein Radfahrer oder Fußgänger unterwegs, leuchten die LEDs mit voller Leistung, ist der Weg verwaist, werden sie auf 20 Prozent gedimmt.

"Es gehen immer mehrere Leuchten an, damit man den Weg, der vor einem liegt, auch gut sehen kann", betont Elmar Eckl, der bei der infra für die Straßenbeleuchtung zuständig ist. Falls der Versuch mit der Teststrecke erfolgreich ist, sollen bis 2025 alle Rad- und Fußwege in den Fürther Talauen mit ähnlicher Beleuchtung ausgestattet werden.

Damit hätte man zumindest in Fürth die Trendumkehr geschafft. Anderswo sieht das ganz anders aus: Laut dem Deutschen GeoForschungsZentrum in Potsdam sind künstlich beleuchtete Außenbereiche weltweit von 2012 bis 2016 pro Jahr um 2,2 Prozent angewachsen.

Milchstraße in Nürnberg seit 20 Jahren nicht mehr zu sehen

"Seit etwa 20 Jahren können wir in Nürnberg die Milchstraße nicht mehr sehen, weil die Stadt zu hell geworden ist", verdeutlicht Matthias Gräter, Geschäftsführer der Nürnberger Sternwarte. Dabei ist vieles besser geworden in den vergangenen Jahren. "Die Straßenbeleuchtung gibt deutlich weniger Licht nach oben ab", hat Gräter beobachtet, die Umrüstung vieler Leuchten scheint sich gelohnt zu haben.

"Gleichzeitig hat die private Beleuchtung aber in noch größerem Ausmaß zugenommen. In vielen Gärten stehen jetzt günstige LED-Scheinwerfer", sagt Gräter.

Um die Jahrtausendwende geriet die Sternwarte zudem mit der Nürnberger Versicherung aneinander, weil der Lichtstrahl des neu erbauten Business Towers die Sternenbeobachtung enorm erschwerte.

Doch jetzt bewegt sich auch bei der Versicherung so einiges. "In den nächsten vier Wochen stellen wir die 48 Außenstrahler des Business Towers auf LED um. Ihr Stromverbrauch reduziert sich damit um 86 Prozent. Ein weiterer Vorteil: Die modernen LEDs geben kein UV-Licht ab und locken deshalb weniger Insekten an", betont Unternehmenssprecher Ulrich Zeidner.

Business Tower wird bei besonderen Anlässen dunkel

Dass die neuen LEDs am Business Tower dimmbar sind, soll auf jeden Fall auch genutzt werden. Wann und in welchem Ausmaß gedimmt wird, ist aber noch nicht beschlossen. Sicher ist allerdings schon: Bei besonderen astronomischen Ereignissen soll die Beleuchtung, anders als bislang, ganz ausgeschaltet bleiben.

In Fürth hat man die nächtliche Beleuchtung von bedeutenden Gebäuden 2018 erst ausgeweitet. Das Stadtmuseum, das alte Humbser-Sudhaus, das Kulturforum, die Volkshochschule und der Kirchturm von Sankt Paul werden seither angestrahlt. In zwei Jahren soll auch noch das Amtsgericht hinzukommen.

Inszenierung historischer Gebäude

"Denkmalgeschützte Gebäude sollen dezent angeleuchtet werden, um ihre Wirkung in der Nacht erlebbar zu machen", erklärt Yvonne Oppermann vom Stadtplanungsamt. Das insektenfeindliche Kaltweiß werde aber schon aus gestalterischen Gründen vermieden, Nachbarn würden nicht beeinträchtigt werden.

"Es ist nur ein Lichtschleier, der an der Fassade entlangstreift", meint Oppermann. Ohnehin werde die Beleuchtung bereits um 22 Uhr abgeschaltet (Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber plädiert derzeit für 23 Uhr). Den Spagat zwischen gewollter Inszenierung einiger historischer Gebäude und gleichzeitiger Reduzierung der Lichtverschmutzung sieht sie deshalb als gelungen an.

Das viele nächtliche Licht schränkt natürlich nicht nur Sternenfreunde ein, sondern schädigt vor allem die Tierwelt. Ein Versuch in Tirol hat gezeigt, dass Kunstlicht bei den Insekten vor allem Fliegen und Mücken anzieht, aber auch etliche Nachtfalter, Käfer oder Zikaden. Sie verbrennen, sterben vor Erschöpfung oder werden massenhaft zur leichten Beute ihrer Fressfeinde. "Fledermäuse oder Spinnen kriegen das schnell spitz, sammeln sich da und schnappen die Insekten", sagt Julian Bittermann von der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Entomologen.

Weniger Insekten in den Biotopen

Die anziehende Wirkung der Leuchten führe dazu, dass es in den umliegenden Biotopen weniger Insekten gebe und sie sich nicht mehr reproduzieren könnten.

"Bei Baugenehmigungen sollte auf insektenfreundliche Beleuchtung geachtet werden. Außerdem sollten UV-Lampen für den Garten, die als Insektenkiller eingesetzt werden, verboten werden", fordert Bittermann.

"Lichtwahn in den Gärten"

"Der Lichtwahn in den Gärten nimmt zu. Einzelne dürfen sich nicht überinszenieren", fordert auch Sabine Frank. Sie ist Koordinatorin und Initiatorin des Sternenparks Rhön. Diese Auszeichnung verleiht die International Dark-Sky Association (IDA) nur, wenn man nachweisen kann, dass es in dem Gebiet nachts besonders dunkel ist. In etlichen Orten wurden dafür spezielle Straßenleuchten installiert, der Sternenpark hat ausführliche Handlungsempfehlungen für Kommunen, Unternehmen und Privatleute formuliert.

In Fürth wird die LED-Straßenbeleuchtung um 22 Uhr auf 50 Prozent gedimmt. Allerdings sind dort erst knapp über zehn Prozent der 11.000 Lichtpunkte mit LEDs ausgestattet. Das soll sich aber ändern: Ab Juli werden innerhalb von zwei Jahren 4800 Leuchten mit LEDs ausgerüstet.

In naturnahen Bereichen werden warmweiße Leuchten mit 3000 Kelvin eingesetzt, doch im städtischen Raum und den Wohngebieten setzt die Kleeblattstadt weiterhin auf neutralweiße 4000 Kelvin, die laut der Insektenexperten deutlich mehr nachtschwärmende Tiere anlocken.

Weißeres Licht soll für mehr Sicherheit sorgen

"Aus Sicherheitsgründen braucht man das. Nur so kann man Kontraste ausreichend gut sehen. Unter 4000 Kelvin kann man außerdem Gesichter nicht mehr gut erkennen", betont Elmar Eckl von der infra Fürth.

In Fulda dagegen, Deutschlands erster als Sternenstadt ausgezeichneter Kommune, fühlt man sich auch bei 3000 Kelvin noch sicher, wie Stadtbaurat Daniel Schreiner betont: "Ein Unterschied im Kontrastsehen zwischen den Farbtemperaturen 3000 Kelvin und 4000 Kelvin ist mit dem bloßen Auge kaum erkennbar, so dass das Sicherheitsgefühl der Menschen dadurch in keiner Weise beeinträchtigt wird. In Fulda werden schon fast von Beginn der LED-Einführung an nur Leuchten mit einer Farbtemperatur von 3000 Kelvin eingesetzt, in bestimmten Bereichen wie Grünanlagen auch wärmer, und die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger ist hierbei sehr hoch."

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